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Cobots: Das Warten auf den großen Durchbruch

Sicherheit bremst kollaborative Robotik aus
Cobots: Das Warten auf den großen Durchbruch

Trotz vieler Cobot-Angebote am Markt: Die kollaborative Robotik hat ihren ganz großen Durchbruch noch nicht erlebt. Die Automationspraxis hat Experten nach den Gründen gefragt.

Autor: Armin Barnitzke

Der Markt rund um Cobots und kollaborative Robotik ist mächtig in Bewegung. War das Thema anfangs vor allem vom Pionier Kuka mit seinem LBR iiwa und dem Newcomer Universal Robots besetzt, tummeln sich mittlerweile eine ganze Menge Anbieter rund um das Thema Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK).

Innovations-Highlights der Robotik kompakt erleben

  • So sind inzwischen eine ganze Reihe deutscher Newcomer wie Franka Emika (Panda), Hahn/Rethink (Sawyer) oder Yuanda (aus Hannover mit chinesischem Mutterhaus) mit Cobots aktiv.
  • Hinzu kommen internationale Newcomer, etwa Kassow Robots (vom Ex-UR-Mitgründer Christian Kassow) sowie starke Player aus Korea, wie Doosan oder Techman (deren TM-Cobots auch über Omron vertrieben werden).
  • Nicht zuletzt haben inzwischen fast alle Industrieroboter-Player kollaborative Modelle im Angebot, beispielsweise Fanuc (CR-Serie), Yaskawa (HC-Serie), ABB (Yumi), Mitsubishi (Melfa Assista), Nachi (CZ-Reihe), Kawasaki (Duaro), Denso (Cobotta) oder Stäubli (TX2touch).

Angebot wächst, Markt nicht

Doch nicht nur das Anbieterfeld ist groß, es kommen auch beständig neue Modelle dazu: Hier bringt Fanuc seinen ersten echten Leichtbau-Roboter mit leichter Bedienung (CRX) heraus, dort baut Yaskawa seine Hybrid-Roboter-Palette HC mit einem kollaborativen Roboter mit 20 kg Traglast aus. Universal Robots wiederum widmet sich derzeit stark dem Ausbau seines erfolgreichen Ökosystems UR+.

Da fällt es schwer, den Überblick zu behalten und zu erkennen, wohin die Reise tatsächlich geht. Und vor allem stellt sich die Frage: Ist der Cobot-Markt groß genug für all die Anbieter von kollaborativen Robotern? Schließlich war laut Statistik des Weltroboterverbandes IFR die Zahl der installierten Cobots mit einem Anteil von nur 3,24 % zumindest 2018 noch sehr gering.

„Die Mensch-Roboter-Kollaboration ist zwar in aller Munde, aber tatsächlich noch eine Nischenanwendung“, sagt Andreas Schlotzhauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe Montageautomatisierung am Fraunhofer IPA. Schlotzhauer geht aber davon aus, dass man beim Ausnutzen der Potenziale von Cobots gerade erst am Anfang steht.

Bremst die Sicherheit Cobots aus?

Der Cobot-Pionier Dieter Faude ist trotzdem recht ernüchtert: „Es gibt immer mehr Hersteller und Produkte, aber keinen Markt.“ Warum? Faude verweist auf die strengen Safety-Grenzen für Kraft und Druck beim kollaborativen Robotereinsatz: „Die niedrigen biomechanischen Werte der TS 15066 lassen meistens keinen wirtschaftlichen Einsatz für Cobots und MRK-Applikationen zu.“

Zudem gebe es eben noch immer viel Unsicherheit und Fragen bei der Umsetzung von MRK-Applikationen, meint Faude: Wie kann ich einen Cobot normenkonform in Betrieb nehmen? Wie messe ich nach der TS 15066 richtig und mit was für Geräten? Wie erstelle ich eine rechtssichere Risikobeurteilung für MRK-Stationen? Die Folge: „Es werden immer noch 90 Prozent der Cobot-Lösungen mit zusätzlicher Sicherheitstechnik verbaut, also mit einer Technik, die man seit 25 Jahren kennt“, beklagt Faude. Sein Fazit: „Bislang bremsen Sicherheitsbedenken und der aktuelle Stand der Normen innovative Ideen für MRK-Standard-Applikationen leider eher aus.“

Roboter ist nicht das Problem

Die Safety-Problematik bestätigt der ehemalige Fanuc- und Midea-Manager Olaf Gehrels, der mit seinem Start-up Coboworx die Robotik im Mittelstand vorantreiben will: „Echt kollaborativ sind nur wenige Prozent der Cobots im Einsatz. Und das wird sich auch nicht ändern, bis man intuitve und bezahlbare Plug&Play-Lösungen für die funktionale Sicherheit des Gesamtsystems hat.“ Auch eine Umfrage im Rahmen eines Online-Seminars der Automationspraxis verdeutlicht im Übrigen das Safety-Problem. Laut dieser Umfrage ist der hohe Aufwand für Safety und Zertifizierung das Haupthindernis für den Cobot-Einsatz (siehe Grafik).

„Die Wahl des Robotermodells spielt oft nicht die entscheidende Rolle. Die Herausforderungen liegen vielmehr im Anwendungsdesign und Sicherheitskonzept“, bestätigt IPA-Mann Schlotzhauer. Er beobachtet, dass viele Endanwender eine einfachere Risikobewertung wünschen, denn diese ist momentan noch mit hohen Aufwänden verbunden. „Am Fraunhofer IPA entstehen deshalb Softwaretools, die solche Risiken automatisiert aus einer Simulation ermitteln und so die Risikoanalyse für die Einrichtung eines normenkonformen MRK-Arbeitsplatzes unterstützen.“ Bei Coboworx arbeitet Gehrels ebenfalls daran, die Risikoanalyse für die kollaborative Robotik via Software zu vereinfachen und zu beschleunigen (siehe Kasten).

Und auch Faude hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass der große Cobot-Boom schon noch kommen wird. „Mit KI, kapazitiven Sensoren, Radar und anderen Technologien sollte es möglich werden, Kollisionen mit dem Menschen ausschließen zu können.“ Und wenn es keinen Kontakt gibt, dann sind eben auch die Grenzwerte für Kraft und Druck kein Problem mehr.

Einfache Bedienung als Kriterium

Gehrels hält für einen Siegeszug der kollaborativen Robotik zudem die einfache Bedienung und Programmierung für entscheidend. „Innovationen wie höhere Traglast sind zwar gut, aber Benutzerfreundlichkeit und einfache Integration sind viel entscheidender. Denn der mittelständische Kunde will als Betriebsmittel einen Cobot, den er unkompliziert nutzen kann.“

Auch der IPA-Forscher Schlotzhauer sieht die vereinfachte Programmierung und Bedienung als großen Trend. „Denn wenn Leichtbauroboter künftig wirklich als intelligentes Werkzeug direkt am Arbeitsplatz des Werkers genutzt werden, sollte der Werker den Roboter auch selbst ohne umfangreiches Fachwissen bedienen und an die jeweilige Aufgabe anpassen können.“

Für Gehrels begründet sich in der Einfachheit und in der intuitiven Nutzung letztlich auch der Markterfolg von UR: „Die UR-Cobots werden inzwischen ja auch fürs Schweißen eingesetzt. Das aber nicht, weil man die enge Kollaboration mit dem Mitarbeiter sucht. Wichtig ist vielmehr, dass der UR-Cobot intuitiv zu bedienen ist.“

Für eine einfache Einrichtung einer Cobot-Anwendung ist neben der eigentlichen Programmierung des Cobots auch das passende Zubehör entscheidend. Greifer & Co sollten am besten im Sinne des Plug&Play zum Cobot passen. Gehrels: „Der Roboterarm selbst rückt in den Hintergrund. Wichtig ist das Ökosystem darum herum. Und UR ist hier Vorreiter: Denn das UR+-Konzept mit geprüften und zertifizierten Komponenten verringert für den Kunden die Komplexität.“

Wer treibt den Cobot-Markt?

Gerade wegen der einfachen Bedienung und des Appstore-Konzeptes gehen die Marktbeobachter davon aus, dass Universal Robots seine führende Stellung am Cobot-Markt weiter behaupten kann, „auch wenn die Dänen in hartem Wettbewerb mit fernöstlichen Anbietern stehen, die ähnliche Produkte zu einem niedrigeren Preis anbieten“, so IPA-Forscher Schlotzhauer. „Aber UR kann sich derzeit noch mit seiner intuitiven Software und seinem App-Store für die Roboter und ihr Zubehör von der Konkurrenz absetzen.“

Neben UR schätzen Olaf Gehrels und Dieter Faude vor allem die koreanischen Hersteller Techman und Doosan als ernstzunehmende Cobot-Player ein. Und die großen Hersteller aus der Industrierobotik? „Zwar dominieren Japaner und Europäer die klassische Industrierobotik, doch das wird sich im Cobot-Segment ändern, wenn die etablierten Hersteller sich nicht bewegen“, prognostiziert Gehrels. „Denn Treiber für Neuerungen sind nicht die etablierten Player, sondern die Newcomer.“

Dazu zählt Gehrels auch explizit Startups aus Deutschland wie Artiminds, Dragandbot, Micropsi, Robominds und Wandelbots, die die einfache Programmierung von Cobots und Industrierobotern vorantreiben. Gehrels: „Um zu lernen, wie man einen Industrieroboter programmiert, braucht man ein bis zwei Wochen. Um zu lernen, wie man einen UR-Cobot programmiert braucht manein bis zwei Tage. Mit dem Tracepen von Wandelbots lediglich nur ein bis zwei Stunden“. Gehrels ist überzeugt: „Einen Roboter in weniger als einer Stunde in Betrieb zu nehmen, ist nicht nur die Messlatte zeitgemäßer Applikationstechnik, sondern gerade im Mittelstand ohne Roboter- und Programmierspezialisten unabdingbare Voraussetzung für die Akzeptanz der Robotertechnik.“


Olaf Gehrels bringt Robotik mit Coboworx in die KMUs.
Bild: Coboworx

Robotik in den Mittelstand tragen

Mit seinen drei Partnerm Klaus Wagner, Georg Matheus und Ralf Zeisberger baut der langjährige Fanuc- und Midea-Manager Olaf Gehrels mit dem Start-up Coboworx eine Online-Plattform auf, um den Mittelstand beim Einsatz von Cobots und Robotik zu unterstützen. „Wir bieten KMUs einen Ersteinschätzung mit Richtpreis in nur 48 Stunden“, verspricht Gehrels. Bei der schnellen Ersteinschätzung hilft auch der Coboworx Chatbot. Dabei werden Mechanismen und standardisierte Eingabemasken genutzt. Gehrels: „Der Vorgang ist nicht schwerer als ein Video per Whatsapp zu verschicken.“ Weiteres Plus: Eine Anfrage kann rund um die Uhr gestellt werden, da der erste Kontakt über den Chatbot läuft.

Zudem nimmt sich Coboworx dem aufwendigen Thema Sicherheit an. Zum Paket gehört eine Vorlage für die Erstellung der Risikobeurteilung, die Coboworx mit dem TÜV Rheinland zusammen erarbeitet hat. Spezielle Wizards sollen dabei helfen, den Aufwand für die Risikobeurteilung um 50 % und mehr zu senken.

Geplant sind zudem fertige Cobot-Pakete. „Kunden bekommen bei uns Plug&Play-Pakete aus einer Hand zu fixen Kosten.“ Dabei konzentriert Coboworx im ersten Schritt auf bestimmte Applikationen, wie Maschinenbeladen, Pick&Place, Palettieren, Zuführen oder Kleben/Schrauben.

Darüber hinaus hat Olaf Gehrels zusammen mit anderen Robotik-Spezialisten den „Deutschen Cobot Verband – Angewandte industrielle Robotik in KMU“ gegründet. Die sieben Gründungsmitglieder wollen vor allem KMUs und Erstanwendern den Einstieg in die industrielle Automatisierung erleichtern: von der Beschaffung bis zur Inbetriebnahme. Zu den Gründungsmitgliedern gehören neben Olaf Gehrels auch der Ex-UR-Manager Helmut Schmid (Auxsilium) sowie Guido Bruch (MRK-Blog), Werner Hampel (Robtec), Michael Lehner (ml-robotik), Christian Piechnick (Wandelbots), Michael Probst (MP-Consulting) und Christoph Ryll (Robotics-Consulting). www.coboworx.com


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