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Vier Typen sozialer Roboter könnten Corona-Blues lindern

Psychische Folgen der durch Covid-19 ausgelösten sozialen Isolation
Vier Typen sozialer Roboter könnten Corona-Blues lindern

Vier Typen sozialer Roboter könnten Corona-Blues lindern
Mit ihrer Arbeit möchte das vierköpfige Forscherteam Nutzer und Anbieter sowie Entwickler von sozialen Robotern bei deren Einsatz und Design unterstützen.  Bild: Adobe Stock/scharfsinn86
Unterhalter, sozialer Wegbereiter, Mentor und Freund: Diese Typologie für soziale Roboter hat jetzt ein Forschungsteam unter Mitarbeit der Universität Hohenheim aufgestellt. Diese Robotertypen könnten gerade während der Corona-Krise für psychisch anfällige Menschen eine wichtige Stütze sein. Doch noch steckt die Entwicklung solcher Roboter und die Forschung hierzu in den Kinderschuhen.

Durch die aufgrund der Covid-19-Pandemie ergriffenen Quarantäne-Maßnahmen leben derzeit viele Menschen in sozialer Isolation. Das kann sich sowohl kurz- als auch langfristig nachteilig auf ihre psychische Gesundheit auswirken. Insbesondere zwei Gruppen sind in dieser Hinsicht anfällig und schutzbedürftig: Ältere Erwachsene über 65 Jahren und Kinder unter 16 Jahren.

Der Einsatz von sozialen Robotern kann diese negativen Folgen möglicherweise verhindern oder zumindest minimieren. Sie könnten Menschen in ihrem täglichen Leben unterstützen, ein Medium für soziale Kontakte sein und so zu deutlichen Verbesserungen in deren Wohlbefinden führen. Da es dabei keinen direkten Mensch-zu-Mensch-Kontakt gibt, werden zudem keine Krankheitserreger übertragen.

Internationale Forschungskooperation

Noch ist jedoch unklar, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit soziale Roboter schutzbedürftigen Menschen effektiv helfen könnten, die psychischen Folgen sozialer Isolation abzuschwächen oder sogar umzukehren. Eine internationale Kooperation von Wissenschaftler aus den Niederlanden, Schweden, der Türkei und der Universität Hohenheim hat sich jetzt in einer konzeptionellen Studie mit den Möglichkeiten und Anforderungen, aber auch mit den Hindernissen und nachteiligen Effekten von sozialen Robotern auseinander gesetzt.

„Wir möchten gerne verstehen und Anregungen geben, wie soziale Roboter das Wohlbefinden schutzbedürftiger Personen verbessern können, wenn diese sich in sozialer Isolation befinden – nicht nur während der Corona-Pandemie, sondern auch aufgrund anderer Umstände. Dafür sind in unsere Arbeit Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen eingeflossen: Dienstleistungsforschung, soziale Robotik, Sozialpsychologie und Medizin“, erklärt Marah Blaurock, Doktorandin am Institut für Marketing und Management in Hohenheim.

Eine Typologie sozialer Roboter

Die Wissenschaftler identifizierten vier Haupttypen, in die sich soziale Roboter einteilen lassen: Den Unterhalter, den sozialen Wegbereiter, den Mentor und den Freund, wobei die beiden letztgenannten noch nicht kommerziell erhältlich sind.

Der Unterhalter-Roboter dient in erster Linie der Zerstreuung. Er vertreibt kurzfristig die Langeweile, weckt die Freude am Spielen und amüsiert die Menschen. Auf diese Weise kann der Unterhalter verhindern, dass während Isolationsperioden sowohl ältere Erwachsene als auch Kinder leichte psychische Beschwerden entwickeln.

Soziale Interaktionen vermittelt ein anderer Robotertyp, der soziale Wegbereiter. Er besitzt zwar keine emotionale Intelligenz mit körperlichen Berührungen und der Spiegelung sozialer Gesten, kann sein Verhalten jedoch einem authentischen sozialen Kontakt sehr nahekommen. Über einen Bildschirm bleiben Kinder mit Spielkameraden und Lehrern in Kontakt, ältere Erwachsene mit Familie, Freunden und Gesundheitsdienstleistern. So können positive Beziehungen aufgebaut und aufrechterhalten werden. Der soziale Wegbereiter hat daher das Potenzial, sowohl kurz- als auch langfristige Aspekte des Wohlbefindens zu beeinflussen.

Ein Mentor-Roboter kann in der Bildung sowie bei der Psycho- und Physiotherapie Aufgaben übernehmen, die normalerweise die Anwesenheit eines professionellen Dienstleisters erfordern. So bleiben zum Beispiel durch die regelmäßige körperliche Aktivität mit einem Mentor-Roboter ältere Erwachsener länger mobil und können ein unabhängiges Leben führen. Bislang werden Roboter vom Typ Mentor allerdings ausschließlich in der Forschung eingesetzt.

Das gesamte Spektrum des Wohlbefindens wird jedoch wahrscheinlich nur von dem komplexesten Roboter-Typ, dem Freund, abgedeckt. Durch quasi-soziale Interaktionen kann er die negativen Folgen einer objektiven oder subjektiv empfundenen sozialen Isolation abmildern und durch Fürsorge und emotionalen Trost sowohl das kurz- als auch das langfristige Wohlbefinden unterstützen.

Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass Kinder und ältere Erwachsene die Prototypen solcher autonomen Roboter als soziale Wesen und Freunde wahrnehmen könnten, die als fürsorgliche Begleiter alle Aspekte des Wohlbefindens berücksichtigen.

Kurz- und langfristiges Wohlbefinden verbessern

„Wir unterscheiden allgemein zwei verschiedene Formen des Wohlbefindens, das hedonistische und das eudämonistische“, erläutert Blaurock. „Hedonistisches Wohlbefinden wird mit Vergnügen und Glück gleichgesetzt und ist eher eine kurzfristige Steigerung des Wohlbefindens. Im Gegensatz dazu hält bei der eudämonistischen Form die Steigerung des Wohlbefindens eher langfristig an und umfasst Bereiche wie Selbstverwirklichung, persönliches Wachstum und positive soziale Beziehungen.“

„Je nach den Umständen profitieren Menschen am meisten von Dienstleistungen, bei denen der Schwerpunkt eher auf dem einen oder dem anderen liegt“, fährt Blaurock fort. „In der Studie haben wir beide Ansätze berücksichtigt und untersucht, welches Potenzial soziale Roboter haben, um das Wohlergehen schutzbedürftiger Menschen positiv zu beeinflussen.“

So werden soziale Roboter vor allem von Kindern und älteren Menschen als emotionale und soziale Akteure wahrgenommen, wenn sie ein „soziales Verhalten“ zeigen, wie zum Beispiel Berührungen und emotionale Reaktionen. Sie können nicht nur trösten und aufmuntern, sondern auch Kommunikationsfähigkeiten und Lernerfahrungen verbessern und so die persönliche Entwicklung der Menschen fördern. Roboter könnten auf diese Weise sowohl das kurz- als auch das langfristige Wohlbefinden verbessern.

Robotergestützte transformationale Dienstleistungsforschung

Inwieweit können Dienstleistungen dazu beitragen, zentrale menschliche Bedürfnisse wie Lebensqualität und Wohlbefinden nicht nur zu verbessern, sondern erheblich zu steigern? Das ist die Frage, mit der sich die Forschungsrichtung „Transformative Service Research“ (TSR, transformationale Dienstleistungsforschung) innerhalb der Dienstleistungsforschung beschäftigt.

„Durch unsere Arbeit erweitern wir die TSR um ein neues Teilgebiet, die sogenannte ‚Robotic Transformative Service Research‘ (RTSR)“, so Blaurock. „Zum ersten Mal gibt es jetzt eine Typologie sozialer Roboter, die eine transformative Wirkung im Rahmen der Dienstleistungserstellung haben. Sie kann eine Grundlage für die zukünftige Forschung in diesem Bereich bilden.“

Kein Ersatz für echte Menschen

Auf der Forschungsagenda zu sozialen Robotern stünde aber auch der Aspekt, ob und unter welchen Umständen sich der Einsatz sozialer Roboter bei gefährdeten Menschen auch nachteilig auf deren Wohlbefinden auswirken kann, betont Blaurock. So stellt sich beispielsweise die ethische Frage, inwieweit Roboter Menschen ersetzen können und sollen.

Zwar können Sozialroboter das Autonomiegefühl älterer Erwachsener stärken, da diese weniger abhängig von Betreuung und Personal sind, auf der anderen Seite gibt es aber auch Befürchtungen, dass soziale Roboter die Pflegekräfte ersetzen könnten und sich dadurch die Einsamkeit noch verstärken würde.

Universität Hohenheim
Schloss Hohenheim 1
70599 Stuttgart
www.uni-hohenheim.de


Aktuelle Publikation:

Henkel, A.P., Caic, M., Blaurock, M. and Okan, M. (2020): Robotic transformative service research: deploying social robots for consumer well-being during COVID-19 and beyond, Journal of Service Management.

https://www.emerald.com

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