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Mit Roboter und Exoskelett gegen Rückenleiden

Technologie erleichtert die Arbeit mit schweren Lasten und in ungünstigen Positionen
Mit Roboter und Exoskelett gegen Rückenleiden

Rückenschmerzen sind ein Volksleiden. Moderne Technologie soll daher den Menschen die Arbeit mit schweren Lasten erleichtern. Die Ansätze reichen vom Exoskelett bis zum unterstützenden Roboter.

Knapp 10 % der Arbeitsausfälle in Deutschland sind auf Kreuzprobleme zurückzuführen, zeigt der Gesundheitsbericht 2014 der Techniker Krankenkasse. Laut Work Foundation Alliance leiden 44 Millionen Arbeiter in der EU an arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen.

Kein Wunder: Arbeiter in der Produktion heben oft bis zu 10 Tonnen Material täglich. Schäden an der Wirbelsäule sind da quasi vorprogrammiert. Im EU-Projekt Robo-Mate haben Forscher daher den ersten Prototypen eines Exoskeletts für die Produktion entwickelt. Mittels Motoren und Sensoren soll das Exoskelett das Gewicht, das auf den Menschen wirkt, auf bis zu ein Zehntel reduzieren und Haltungsschäden vorbeugen.
„Unser Prototyp besteht aus Modulen für die Arme, den Rumpf und die Beine“, erläutert Projektkoordinator Prof. Dr. Wernher van de Venn, Leiter des Instituts für Mechatronische Systeme an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die Module für die Arme sind an Ober- und Unterarmen befestigt. Sie unterstützen die Arbeiter aktiv beim Heben schwerer Lasten. „Ein Autositz von 15 Kilogramm fühlt sich beim Heben mit dem Exoskelett an wie 1,5 Kilogramm“, so Prof. Dr. Carmen Constantinescu, die das Projekt beim Fraunhofer IAO leitet.
Sicherheit und Akzeptanz sind noch zu klärende Fragen
Das Rumpfmodul dient vor allem zur Stabilisierung von Rücken und Wirbelsäule sowie als Schutz vor Bandscheibenvorfall und Verdrehungen der Wirbelsäule. Die Beinmodule stabilisieren die Innenseite der Oberschenkel. Bei Tätigkeiten in hockender Position versteifen sich die Beinmodule und bilden eine Art Sitz.
Bis das Robo-Mate in Produktionshallen Alltag wird, ist noch einiges an Forschung nötig. Zum einen gilt es, das Exoskelett und seine Anwendung sicher für seine Benutzer und ihre Umgebung zu machen. Eine zweite Frage ist die der Akzeptanz. Dazu trägt auch das Design bei: Daher entwickeln Designer eine Außenhülle, die funktional ist und gleichzeitig das Gefühl vermittelt, dem Arbeiter ein Helfer zu sein.
Aber nicht nur die Arbeit in der Fabrik kann den Rücken belasten. Betroffen sind auch Pflegekräfte, denn im Krankenhaus oder Altenheim ist großer körperlicher Einsatz nötig. Im Projekt Care-Jack entwickeln daher Forscher der beiden Berliner Fraunhofer-Institute IPK sowie IZM mit Partnern aus der Industrie eine aktive Weste. Der Clou: Diese Orthese (orthopädische Prothese) lässt sich so einfach überstreifen wie ein Mantel.
Die nötige Energie erzeugt der Träger durch seine Bewegungen selbst. Beugt sich etwa ein Pfleger herunter, um einen Patienten anzuheben, speichert die intelligente Weste diese Bewegungsenergie und gibt sie bei Bedarf wieder frei. Vor allem aber sorgt die Orthese dafür, dass sich die Pflegekräfte richtig bewegen. Sensoren in der Weste überwachen ständig, wie sich der Träger bewegt und geben bei Bedarf Alarm. Noch 2015 soll ein Prototyp fertig gestellt werden, die Serienfertigung könnte dann in ein bis zwei Jahren starten.
„Zu Exoskeletten befindet sich momentan einiges in der Entwicklung“, kommentiert Stefan Sagert, Robotik-Experte beim VDMA: „Neben Exoskeletten, Orthesen und Hebehilfen sind hier auch Produkte wie der Chairless Chair zu nennen, der momentan bei Audi in Neckarsulm als ergonomische Unterstützung bei der Montage getestet wird.“
Diese Hightech-Konstruktion aus Carbon ermöglicht den Mitarbeitern das Sitzen ganz ohne Stuhl. Zugleich sorgt sie für eine verbesserte Körperhaltung und reduziert die Beinbelastung. Entwickelt hat Audi den Chairless Chair gemeinsam mit einem Start-up aus der Schweiz. Das Exoskelett wird an der Rückseite der Beine getragen. Der Mitarbeiter befestigt es mit Gurten an Hüfte, Knien und Knöcheln.
Zwei mit Leder bezogene Flächen stützen Gesäß und Oberschenkel, die Streben aus CFK passen sich der Kontur der Beine an. Der Mitarbeiter trägt den stuhllosen Stuhl, der lediglich 2,4 Kilogramm wiegt, während der Arbeit wie ein zweites Paar Beine. Bei vielen Tätigkeiten ermöglicht er, in einer ergonomisch günstigen Position zu sitzen statt zu stehen – selbst bei kurzen Montage-Intervallen.
Roboter übernimmt ergonomisch ungünstige Tätigkeiten
Ein zweiter Ansatz neben dieser Art von Roboterkleidung ist externer Roboter, der den Menschen bei ergonomisch ungünstigen Tätigkeiten unterstützt, etwa im Rahmen der Mensch-Roboter-Kollaboration. „Der Industrieroboter kann als Hebehilfe oder im handgeführten Betrieb als Unterstützung dienen“, erklärt Sagert.
Auch hier ist Audi aktiv: Im Stammwerk Ingolstadt ist ein Roboter im Serieneinsatz, der Hand in Hand mit dem Menschen arbeitet –angepasst an den Arbeitstakt des Menschen. Für die Mitarbeiter der A4/A5/ Q5-Montage ist dies eine enorme Erleichterung: Bislang mussten sie sich in Materialboxen beugen, um die Kühlmittelausgleichsbehälter zu greifen. Ein einfacher Arbeitsschritt, der bei häufiger Wiederholung schnell zu Rückenbeschwerden führen kann.
Diesen Arbeitsumfang übernimmt von jetzt an der Roboter. Er ist dazu mit einer Kamera sowie einem integrierten Saugnapf ausgestattet. Damit holt er Bauteile direkt aus den Ladungsträgern und reicht sie dem Mitarbeiter – genau zur richtigen Zeit und in einer ergonomisch optimalen Position.
Auch die französische Firma RB3D will chronische Rückenleiden durch schwere Arbeit vermeiden und hat daher den Roboterarm Cobot entwickelt. Er hält das Werkzeug, so dass der Mitarbeiter nur noch führen muss – wie beim Tanzen.
Mensch-Roboter-Kollaboration ist am weitesten entwickelt
Der Roboterarm, der an einer Wand befestigt wird, verfügt über sieben Achsen und hat einen Aktionsradius von über zwei Meter. Am unteren Ende wird ein schweres Werkzeug wie eine Schleifmaschine befestigt. Ein Sensor erkennt die Absichten des Nutzers und die Steuerung sorgt dafür, dass der Roboterarm ohne großen Kraftaufwand dorthin geht, wo er soll. Motoren von Maxon aus der Schweiz verstärken den Kraftaufwand des Mitarbeiters. Wenn für eine Aufgabe 20 Kilogramm aufgewendet werden muss, verringert der Cobot dies auf 1 Kilo.
Ist denn nun der Roboter oder das Exoskelett die bessere Unterstützung? Sagert will sich nicht festlegen: „Die Art der Unterstützung hängt natürlich grundsätzlich von der Anwendung ab, da nicht jede Form der Unterstützung für jede Tätigkeit geeignet ist.“ Klar sei aber auch: „Beim Thema Exoskelette läuft noch viel Entwicklungsarbeit, während bei der Mensch-Roboter-Kollaboration die Entwicklungen bereits am weitesten gediehen sind.“ ab
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