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Wer ist der Cloos-Schweißtechnik-Käufer Estun Automation?

Wer ist der Cloos-Schweißtechnik-Käufer Estun Automation?
Estun aus China kauft Cloos: die Hintergründe

Estun aus China kauft Cloos: die Hintergründe
Estun dürfte in erster Linie an der Schweißtechnik von Cloos interessiert sein. Bild: Cloos

Die Übernahme der Carl Cloos Schweißtechnik GmbH aus Haiger durch den chinesischen Robotikspezialisten Estun Automation sorgt für einigen Wirbel. Hier einige Hintergründe zu der Übernahme.

Für 196 Millionen Euro kauft die chinesische Estun Automation das deutsche Familienunternehmen Carl Cloos Schweißtechnik – ein Unternehmen mit viel Tradition, schließlich feierte Cloos Schweißtechnik noch im Mai 2019 stolz sein 100jähriges Jubiläum. „Wir sind stolz darauf, dass wir zu den wenigen Unternehmen in Deutschland gehören, die seit 100 Jahren erfolgreich in ihrem Segment tätig sind“, sagte Cloos-Geschäftsführer Sieghard Thomas anlässlich des Jubiläums.

Der Verkauf von Cloos Schweißtechnik kommt recht überraschend, zumal es dem Unternehmen wirtschaftlich gut geht: Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, was auch daran liegt, dass Cloos Schweißtechnik nicht hauptsächlich in der Automobilindustrie aktiv ist, sondern auch Fertigungslösungen für Baumaschinen, Schienenfahrzeuge oder die Energie- und Agrarindustrie liefert. Ein Grund für den Verkauf dürfte aber die Nachfolgeregelung sein, denn die dritte Generation der Gründerfamilie ist nicht mehr so stark ins operative Geschäft involviert – und hat sich daher offensichtlich zu einem Verkauf aus der Position der Stärke entschlossen.

Hoher Preis bezahlt

Dafür spricht auch der hohe Kaufpreis: 196 Millionen Euro bezahlen die Chinesen von Estun für Cloos. Der Kaufpreis liegt damit höher als der Gesamtumsatz von Estun im Jahr 2018 mit rund 184 Mio. Euro, berichtet der China-Experte Georg Stieler: „Gemessen am Umsatz der Chinesen ist es also eine große Akquisition, die diese ja auch nicht vollkommen allein stemmen – mit im Boot ist die Hongkonger Private Equity-Gesellschaft China Renaissance Capital Investment (CRCI).“

Immerhin hat Estun aber eine gewisse Erfahrung mit ausländischen Akquisitionen. „2016 hat das Unternehmen Euclid Labs in Italien gekauft, 2017 haben sie TrioMotion in Großbritannien und MAI in Deutschland übernommen“, berichtet Stieler. „All dies waren jedoch viel kleinere Transaktionen.“ 

Schweißtechnik im Fokus

Mit der Übernahme von Cloos erweitert Estun nun nicht nur sein Produktportfolio in Richtung Schweißtechnik, sondern baut auch die globale Reichweite aus. „Der Anteil des internationalen Geschäfts von Estun lag 2017 bei 12 Prozent. Die globale Präsenz von Cloos ist größer. Vorausgesetzt es gelingt, die bestehende Vertriebsorganisation entsprechend auszurichten, könnte dies ein Vorteil für Estun sein“, so Stieler.

Vor allem aber dürft Estun an der Schweißtechnik von Cloos interessiert sein. Schließlich ist das Schweißen mit einem Anteil von 25 Prozent die zweitgrößte Anwendung auf dem chinesischen Robotermarkt (nach dem Be- und Entladen mit 44 Prozent), wie Stieler weiß. „Und bis vor kurzem wurde der Markt für Schweißroboter von ausländischen Akteuren dominiert.“ Ein sehr erfolgreicher Newcomer auf diesem Gebiet sei aber Honyen, der preisbewusste chinesische Kunden mit Schweißrobotern anspricht, die bis zu 50 Prozent günstiger sind als die von internationalen Wettbewerbern. 

Wer ist denn nun eigentlich Estun?

„Nach Stückzahlen ist Estun die Nummer drei unter den chinesischen Roboterherstellern“, berichtet Stieler, der allerdings auch darauf hinweist, dass führende ausländische Hersteller wie Fanuc, Kuka oder ABB in China immer noch drei bis viermal so viele Roboter wie Estun verkaufen. Als Stärke von Estun im Vergleich zu den einheimischen Wettbewerbern bewertet Stieler Estuns hohe Wertschöpfungstiefe. „Das Unternehmen kommt ursprünglich aus dem Bereich CNC-Steuerungen und baut diese sowie Servos selbst.“

Und was hat Cloos davon?

Cloos geht es bei dem Deal um eine strategische Expansion des Schweiß- und Robotik-Angebots und nachhaltiges Wachstum. „Die Transaktion sichert und stabilisiert unseren Wachstumskurs“, erläutert Cloos-Geschäftsführer Sieghard Thomas. „Die Robotik hält momentan breiten Einzug in viele industrielle Bereiche, was zu immer schnelleren Innovationen, höheren Investitionssummen sowie kürzeren Lebenszyklen führt und die Notwendigkeit mit sich bringt, dies über Skaleneffekte und Marktdurchdringung auszugleichen.“

Stieler rechnet zudem damit, dass die Technologien von Cloos durch die bestehende Organisation von Estun eine breitere Verbreitung auf dem chinesischen Markt finden können. „Und ich gehe davon aus, dass die Chinesen ihr Know-how zur Kostensenkung einbringen werden.“

Kritik an deutscher Industriepolitik

Dass der chinesische Staat die Cloos-Übernahme strategisch gesteuert und finanziert haben könnte (wie es bei manch anderem spektakulären Deal gemunkelt wird), dafür gibt es keine Anzeichen. Denn Estun ist ein privates Unternehmen und ist an der Börse von Shenzhen gelistet. Der Chairman und General Manager Bo Wu hält 59,5% der Aktien.

Dennoch weist Stieler noch auf einen industriepolitischen Aspekt hin: „Egal, wie tief der chinesische Staat letztendlich in diese Transaktion mit eingebunden ist, passt auch dieser Deal wieder ins große Bild: Während in China eine zukunftsgerichtete Industriepolitik betrieben wird, gefährdet die Politik in Deutschland die Autoindustrie und macht das Unternehmersein mit neuen Auflagen und Steuern immer unattraktiver. Auch wenn das möglicherweise nicht ausschlaggebend war, dürfte es für die Eigentümer einen Verkauf doch leichter gemacht haben.“

Carl Cloos Schweisstechnik GmbH

https://www.cloos.de

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