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Yaskawa: „So vereinfachen wir den Einstieg in die Robotik”

Interview: Bruno Schnekenburger (CEO) und Armin Schlenk (Marketing Director), Yaskawa Europe GmbH
Yaskawa: „Wir vereinfachen den Einstieg in die Robotik”

Warum Yaskawa stark in Europa expandiert, welche Pläne die Japaner mit der Robotik im Mittelstand haben und welche Steuerungs-Innovationen in der Pipeline sind, verraten CEO Bruno Schnekenburger und Marketing & Business Development Director Armin Schlenk von Yaskawa Europe.

Interview: Armin Barnitzke

Yaskawa hat kürzlich die Grundsteinlegung für eine neue Europazentrale in Hattersheim gefeiert. Warum bauen Sie als japanischer Robotik- und Automatisierungskonzern ein neues Europa-Headquarter?

Schnekenburger: Wir haben uns schon länger mit dem Gedanken getragen, ein eigenes neues Headquarter zu bauen, weil die angemieteten Räumlichkeiten in Eschborn nicht mehr unseren Ansprüchen genügen – sowohl in Sachen Platz als auch in Sachen Energieeffizienz. Daher bauen wir ein eigenes Gebäude als Innovations-Schaufenster – mit einem großen Showroom für Veranstaltungen und Technologie-Präsentationen. Auch unsere Akademie wird dort besser integriert sein.

Wie wichtig ist denn der europäische Markt für den japanischen Mutterkonzern?

Schlenk: Sehr wichtig. Wir tragen immerhin zu einem Sechstel zum Konzernumsatz bei. Und diesen Umsatz in Europa wollen wir weiter steigern – daher unsere fortlaufenden Investitionen: Neben dem neuen Headquarter in Hattersheim und dem 2019 eröffneten neuen Robotik-Werk in Slowenien haben wir auch in ein großes neues Gebäude in Frankreich investiert und in Schweden neue Produktions- und Büroflächen geschaffen. Und auch die Erweiterung unserer europäischen Robotik-Zentrale in Allershausen liegt ja noch nicht so lange zurück.

Welche Ziele verfolgen Sie in Europa?

Schlenk: Wir wollen uns noch stärker als europäischer Automations-Spezialist etablieren. Denn nur, wenn wir die Nähe zum Kunden haben, können wir ihn richtig verstehen, ihm einen besseren Service bieten und unsere Produkte besser an die Ansprüche des europäischen Marktes anpassen. Deswegen haben wir in Europa nicht nur neun eigene Fertigungswerke, sondern auch ein großes Entwicklungsteam, das unter anderem ASICs, neue Produkte im Bereich Motion und Control sowie Robotersysteme entwickelt.

Haben Sie dafür Beispiele?

Schnekenburger: Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: In der Roboterfabrik in Slowenien ist gerade unser erster lokal entwickelter Roboter entstanden. Dabei ging es konkret um eine neue Gewichtsklassevariante aus unserem Handling-Roboterportfolio, die gerade von unseren europäischen Kunden sehr stark nachgefragt wird. Und wir haben den Roboter nicht nur in Europa entwickelt, sondern können ihn auch hier fertigen.

Apropos: Wie läuft denn Ihre 2019 eröffnete Roboterfabrik in Slowenien? Wie viele Roboter produzieren Sie dort aktuell?

Schnekenburger: Aktuell steigern wir in Slowenien stetig die Anzahl der dort produzierten Roboter und nähern uns damit unserem mittelfristigen Ziel von jährlich 10 000 lokal produzierten Robotern. Das heißt: Für weitere Steigerungen der Produktionskapazität haben wir bereits heute weitere Flächen für einen zukünftigen Ausbau der Roboterfabrik vorbereitet.

Wie viel Prozent der europäischen Roboterverkäufe decken Sie mit der Produktion in Slowenien ab?

Schnekenburger: Aktuell decken wir mit den lokal produzierten Robotermodellen etwa 75 Prozent des europäischen Bedarfs ab. Durch die Fertigung weiterer Robotermodelle wollen wir den Anteil an lokal produzierten Robotern künftig auf 85 Prozent steigern.

Wie läuft denn Ihr Geschäft nach der Corona-Pause wieder an? Und wo läuft es besser: Robotik oder bei Drives Motion Control?

Schlenk: In beiden Geschäftsbereichen haben die Aufträge extrem stark zugenommen – hier stellen wir eine erstaunliche Parallelität fest. Und das sind nicht nur Nachholaufträge aus zurückgestellten Projekten, etwa in der Automobilindustrie, sondern in manchen Bereichen ist auch der Bedarf generell enorm angestiegen – etwa bei Maschinenbauern zur Holzbearbeitung. Auch die Textilmaschinen haben enorm angezogen – manche unserer Kunden haben Steigerungsraten von 200 bis 300 Prozent. Alles in allem werden wir bei Yaskawa Europe dieses Jahr daher wohl ein All-time-High verzeichnen.

Welche Bereiche neben den Holzmaschinen wachsen aktuell besonders gut?

Schlenk: Wir sind im Bereich Drives Motion Control ja breit aufgestellt: von der Aufzugsindustrie über Kompressoren und Vakuumpumpen bis hin zu Halbleiter-Produktionsmaschinen. Hier läuft es überall gut. Das Geschäftsfeld Vakuumpumpen allerdings ist gerade besonders stark, was vermutlich auch ein Corona-Effekt ist. Denn Vakuumpumpen mit unseren Frequenzumrichtern werden nicht nur im Halbleiter-Bereich eingesetzt, sondern auch im medizinischen Bereich.

Und was sind aktuell Wachstumssegmente in der Robotik?

Schnekenburger: In der Robotik läuft insbesondere der Bereich Logistik besonders gut. Hier spielt auch Corona eine Rolle: Wenn die Kunden mehr über das Internet bestellen, brauchen die Firmen Lager- und Logistik-Automation, um das alles handhaben und verpacken zu können. Zudem sind unsere Schweißroboter bei der Herstellung von Gabelstaplern oder bei der Fertigung von Regalsystemen im Einsatz.

Und abgesehen von der Logistik?

Schnekenburger: Nach wie vor ist für uns die Automobilbranche interessant. Hier sind wir sehr bemüht, Anwendungen im Bereich Elektromobilität weiter auszubauen. Erst kürzlich haben wir hier eine Anlage zum Schweißen von Batteriekästen realisiert. Auch der Nutzfahrzeug- und Landmaschinenbereich ist für uns interessant.

Viele Roboterhersteller entdecken gerade den Mittelstand als Zielgruppe. Sie auch?

Schnekenburger: Ja, natürlich. Wir wollen dem Mittelstand beim Einstieg in die Robotik helfen, indem wir Ready-to-go-Lösungen kreieren – beispielsweise unsere Weld4me-Cobot-Lösung für das einfache automatisierte Schweißen in kleineren Unternehmen. Zudem haben wir für den Mittelstand eine skalierbare Palette an komplett integrierten und nutzungsbereiten Roboterschweißzellen: Alle Zellen sind einfach transportierbar und können leicht aufgebaut sowie schnell in Betrieb genommen werden.

Bieten Sie neben dem Schweißen auch andere Ready-to-go-Lösungen?

Schnekenburger: Ja. Beispielsweise haben wir zusammen mit einem Systemintegrator auf Basis unserer kollaborativen Roboter HC10 und HC20 Standard-Palettier-Lösungen entwickelt, die innerhalb von Minuten in Betrieb genommen werden können – ganz ohne Engineering- und Programmieraufwand.

Schlenk: Zu den Paketen für den einfachen Robotikeinstieg gehören auch unsere Smart Series. Bei der Smart Series sorgen wir zusammen mit Partnern dafür, dass unsere Roboter – beispielsweise die Handling-Roboter der GP-Serie oder die kollaborativen HC-Roboter – einfach mit Greifern oder Schutzeinrichtungen integriert werden können. Man kann sich bei uns den Roboter samt passendem Zubehör konfigurieren. Damit senken wir die Einstiegshürden: Ein Mittelständler muss sich nicht intensiv mit dem Roboter und dem Zubehör auseinandersetzen, damit er eine Applikation in Betrieb nehmen kann. Mit der Smart Series benötigt man nicht einmal zwingend einen Systemintegrator, um den Roboter nutzen zu können.

Sie sprachen ja gerade die HC-Cobots an: Wie sind Ihre Erfahrungen mit der kollaborativen Robotik?

Schnekenburger: Unsere kollaborativen HC-Roboter haben ja einen großen Vorteil: Sie sind Hybrid-Roboter. Die HC-Robots sind also vollwertige Industrieroboter, die dank Kraft-Momenten-Sensoren in jedem Gelenk auch im kollaborativen Betrieb arbeiten können. Aber wenn im Arbeitsbereich des Roboters kein Mensch ist, können sie mit voller Industrierobotergeschwindigkeit betrieben werden. Ein praktisches Anwendungsbeispiel ist die Maschinenbeschickung, bei der der Roboter auch die Qualitätssicherung übernimmt. Nur wenn ein Teil außerhalb der Toleranz ist, kommt der Mitarbeiter dazu. Besonders gut bei den Kunden kommt übrigens der HC20 an, der 20 Kilogramm Traglast und 1,7 Meter Reichweite bietet und sich damit besonders gut für typische industrielle Anwendungen wie gerade die Logistik und Verpackung eignet.

Und wie vereinfachen Sie die Bedienung Ihrer Roboter?

Schlenk: Zum einen über unsere Smart Pendants. Das sind innovative Roboter-Bediengeräte mit einem großen 10“-Touchscreen. Darüber kann man den Roboter ganz einfach positionieren und teachen. Die intuitive Bedienung und Programmierung der Roboter ist damit nicht mehr länger ein Privileg der kollaborativen Robotik. Denn das Smart Pendant unterstützt nicht nur die kollaborativen Roboter der HC-Serie, sondern auch alle Handling-Industrieroboter der GP-Serie – und natürlich unseren Kleinsten, den MotoMini. Und für Maschinenbauer haben wir unsere MotoLogix-Schnittstelle, mit der man den Roboter aus der gewohnten SPS-Umgebung heraus programmieren kann.

Nach der VIPA-Übernahme haben Sie angekündigt, eine All-in-one-Steuerung zu entwickeln, die alles aus einem Guss kann: Roboter, SPS und Motion. Ist das noch in Planung?

Schlenk: Ja. Dazu haben wir eine Partnerschaft mit Phoenix Contact geschlossen und nutzen deren offene PLC Next-Plattform. Auf der SPS 2021 werden wir hier das erste Produkt einer umfassenden Steuerungsplattform vorstellen, zunächst eine SPS mit ProfiNet mit unseren SLIO I/O Baugruppen und einer smarten Anbindung an unsere Servo- und Frequenzumrichter. Diese Steuerungsplattform werden wir Stück für Stück erweitern, sprich: Wir erweitern die SPS mit unserem Motion-Control-Knowhow. Danach integrieren wir Safety-Funktionen und später auch die Robotik. Dann haben wir für Maschinenbauer eine durchgängige Plattform: von SPS und Motion Control bis zur Roboterprogrammierung und -steuerung – alles in der gleichen Umgebung.

Decken Sie damit alle Robotik-Anwendungen ab?

Schnekenburger: Nur bis zu einem gewissen Grad. Für einen Großteil der Anwendungen in den Bereichen Handhabung oder Verpackung – etwa mit Delta- und Scara-Kinematiken – ist eine solche All-in-One-Steuerung vollkommen ausreichend. Aber damit wird man sicher keine komplexe Schweißanlage programmieren und steuern können. In unserer Robotersteuerung stecken schließlich viele Mannjahre Entwicklungsarbeit. Die kann man nicht so einfach ersetzen.

Warum bauen Sie auf der PLC Next von Phoenix Contact auf und haben nichts Eigenes entwickelt?

Schlenk: Nun, man muss das Rad ja nicht neu erfinden, wenn es schon gute Lösungen auf dem Markt gibt. Mit Phoenix Contact kooperieren wir übrigens schon lange. Und wenn wir die offene PLC Next als Basis nutzen und mit unserem eigenen Knowhow erweitern, haben wir einfach einen schnelleren Marktzugang, als wenn wir das Ganze von Grund auf neu entwickeln.

Was spricht denn gerade für PLC Next?

Schlenk: Ein großer Vorteil von PLC Next ist die Offenheit. Da PLC Next Linux-basiert ist, können wir unsere Erweiterungen einfach integrieren. Zudem lässt sich die Plattform nicht nur in SPS-Sprachen programmieren, sondern auch in Hochsprachen. Und gerade die jüngere Generation von Ingenieuren hat den Anspruch, in anderen Sprachen zu programmieren.

Abschließend: Wie positioniert sich Yaskawa eigentlich im Bereich IoT?

Schlenk: IoT ist ein Kernthema für uns – schließlich haben wir bei Yaskawa schon 1969 den Begriff Mechatronik erfunden. Heute nennen wir unsere Strategie i3 Mechatronics – das steht für intelligent, integrated und innovativ.

Und was bedeutet das konkret?

Schlenk: Aufgrund unserer breiten Produktpalette hat das Thema IoT ganz unterschiedliche Ausprägungen. Unsere Servos und Umrichter aus dem Bereich Drives & Motion nutzen Maschinenbauer als Komponenten. Diese Produkte machen wir IoT-ready. Alle neuen Produkte haben daher neben der normalen Funktionalität auch eine IoT Komponente direkt in der Firmware integriert. Auf einer anderen Ebene spielen unsere fertigen Roboterzellen. Für diese haben wir mit dem Yaskawa Cockpit unsere eigene Umgebung mit einer eigenen Visualisierung und eigenen Algorithmen entwickelt, um Vorhersagen zur vorbeugenden Wartung zu machen und Fehler zu erkennen, bevor es zu einer möglichen Betriebsstörung kommen kann.

Yaskawa Europe GmbH

www.yaskawa.de


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