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Start: Garage –Ziel: Global Player

Zimmer Group: Wie aus einer kleinen technischen Werkstatt im Kuhstall eine Knowhow-Factory wurde
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Von der technischen Werkstatt im umgebauten Kuhstall bis zur Knowhow-Factory mit über 1000 Mitarbeitern: In 37 Jahren haben die Brüder Günther und Martin Zimmer mit ihrer Zimmer Group viel erreicht.

Autor: Armin Barnitzke

Garagen sind der Ursprung vieler großer Unternehmen. 1939 gründeten Bill Hewlett und David Packard in einer Garage in Palo Alto das Unternehmen HP und legten so den Grundstein für das Silicon Valley. Einige Jahre später (1976) startete das Duo Steve Jobs und Steve Wozniak mit Apple ebenfalls in einer kalifornischen Garage. Vier Jahre darauf gründeten Günther und Martin Zimmer in Rheinau-Freistett ihr Unternehmen. „Allerdings war unsere Garage ein umgebauter Kuhstall“, erinnert sich Günther Zimmer schmunzelnd.

Ein Kuhstall? „Ja, nach dem Zivildienst hatte ich ein altes Fachwerk-Bauernhaus gekauft, weil ich eigentlich Bio-Landwirt werden wollte“, erinnert sich Günther Zimmer. Aber dieses Bauernhaus musste natürlich auch bezahlt werden. „Also habe ich in einem alten Kuhstall eine Werkstatt eingerichtet, um als Auftragsfertiger für Unternehmen aus der Region zu arbeiten und so den Traum vom Bauernhof zu finanzieren.“

Geholfen hat ihm dabei sein jüngerer Bruder Martin zunächst als Aushilfe nebenher. Bald darauf jedoch entschied er sich ganz pragmatisch, eine Ausbildung als Industriemechaniker zu absolvieren, um besser unterstützen zu können. Nach der Ausbildung entschloss sich Martin Zimmer dann, voll einzusteigen. Günther Zimmer selbst hat keine formelle Ausbildung gemacht. „Dafür hatte ich gar keine Zeit. Denn nach dem Gymnasium folgte gleich der Zivildienst – damals immerhin noch fast zwei Jahre – danach eine kurze Phase als Fernfahrer, und mit Anfang 22 habe ich auch gleich die Firma angemeldet.“

Der Vater als Ausbilder

Eine inoffizielle Ausbildung hat er als zweitjüngstes von sieben Kindern eines Gewerbeschullehrers aber trotzdem bekommen. „Unser Vater hat uns schon früh grundlegende technische Verfahren in der Metallbearbeitung vermittelt“, erzählt Günther Zimmer. „Ich konnte schon mit 14 Jahren drehen, fräsen und auch schweißen.“ In der Kuhstall-Werkstatt begannen die beiden Brüder daher an technischen Lösungen zu tüfteln. Auch das Tüfteln hatten sie vom Vater geerbt. „Er war so eine Art technischer Problemlöser für Firmen aus der Region. Das hat auch kräftig auf uns abgefärbt“, erinnert sich Martin Zimmer.

Angefangen haben die beiden Brüder damals bei null: „Wir hatten ja kein Geld und Existenzgründer-Kredite gab es damals nicht“, blickt Günther Zimmer zurück: „Ich fuhr damals einen alten VW Käfer für 100 DM. Der hatte eine Plexiglas-Frontscheibe, weil die Glasscheibe kaputt war.“ So blieb nur: „Viel Arbeiten und möglichst wenig Geld aus der Firma rausnehmen“, erinnert sich Martin Zimmer. Immerhin: Daraus hat sich in 37 Jahren die heutige Zimmer Group entwickelt, die mit rund 1000 Mitarbeitern über 100 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet und weltweit tätig ist.

Zunächst war man aber eher lokal tätig: „Die ersten zwei Jahre haben wir vor allem für die Unternehmen aus der Region mechanische Lösungen gebaut, oder auch nur Dreh- und Frästeile gefertigt “, so Martin Zimmer. „Die Bandbreite reichte von der einfachen Lohnfertigung von Metall-Bauteilen bis zur Konstruktion und Fertigung von ersten einfachen Automationslösungen – etwa eine Stuhlbein-Presse für eine lokale Schreinerei.“

Einstieg in die Automation

Den endgültigen Einstieg ins Automationsgeschäft brachte dann ein Zufall. „Unser Vater hat als Gewerbeschullehrer den ehemaligen Festo-Mitarbeiter Friedhelm Sommer kennen gelernt, der an der Gewerbeschule Vorträge über Pneumatik hielt.“ Sommer hatte damals die Idee, standardisierte Greifer für die immer stärker einsetzende Automatisierung zu entwickeln. „Das war der Katalysator für den Einstieg ins Automationsgeschäft“, so Günther Zimmer.

So tat man sich zusammen: Die Zimmer technische Werkstätten übernahmen Konstruktion und Fertigung der Greifer, während sich Sommer als Sommer-Automatic um den Vertrieb kümmerte. 1984 brachte man die ersten standardisierten Greifer auf den Markt. Die Grundlage für kontinuierliches Wachstum war gelegt.

Als Sommer 1999 in den Ruhestand ging, entschlossen sich die Brüder kurzer Hand das Unternehmen Sommer-Automatic zu übernehmen. Die Produkte hat man über viele Jahre jedoch weiter unter der eingeführten Marke Sommer-Automatic vertrieben. Erst vor kurzem wurde das ganze Portfolio im Zuge der Neustrukturierung des Konzerns auf Zimmer umbenannt.

Stoßdämpfer ergänzen Portfolio

Aber die Zimmer technischen Werkstätten blieben nicht beim Thema Greifer stehen. „Unser zweites Produkt waren Industriestoßdämpfer“, erinnert sich Martin Zimmer. „Dieses wurde quasi aus der Not heraus geboren. Denn für ein Projekt brauchten wir Stoßdämpfer und die am Markt erhältlichen haben unseren Anforderungen nicht genügt.“ Daher hat man ein eigenes Prinzip mit Wendelnut entwickelt und patentieren lassen. „Später kamen noch Brems- und Klemmelemente für die Lineartechnik hinzu“, ergänzt Günther Zimmer.

Ein gänzlich neues Geschäftsfeld brachte 2001 die Anfrage eines Möbelherstellers, ob man nicht in der Lage wäre, Möbeldämpfer herzustellen. „Das war ein ganz anderes Geschäft: Bislang hatten wir in Kleinserien mit Zerspanung präzise Metallprodukte gebaut, nun sollten wir massenhaft Kunststoffteile fertigen – in hohen Stückzahlen und zu niedrigen Kosten“, erinnert sich Martin Zimmer an manch „schlaflose Nacht“.

100 000 Stück hatte der Kunde angefragt – im ersten Jahr hatten die Zimmer-Brüder dann sogar eine Million Stück gefertigt. Geholfen hat hierbei das hauseigene Automations-Knowhow. Günther Zimmer: „Mit unseren Handhabungskomponenten haben wir automatisierte Fertigungslinien für die Montage und Qualitätsprüfung der Möbeldämpfer gebaut.“ Mit Erfolg: Allein in 2015 hatte man auf den automatisieren Linien 90 Millionen Möbeldämpfer gefertigt.

Der Einstieg in das Möbeldämpfer-Geschäft ist für Martin Zimmer auch ein gutes Beispiel für die eigene Innovations- und Risikobereitschaft. „Heute sind solche Dämpfer ja Standardware, aber damals waren wir damit die ersten am Markt.“ Gerade diese Offenheit für Neues zeichne das Unternehmen Zimmer aus. „No Risk, no Fun“, lacht Martin Zimmer.

Eher auf gewohntem Terrain bewegte man sich 2007, als die Zimmers den angeschlagenen Marktbegleiter Benz Werkzeugsysteme übernahmen. Seit 2009 führt man den Spezialisten für holz- und metallbearbeitende CNC-Werkzeugsysteme gemeinsam mit dem Großkunden und Holzmaschinenbauer Homag in einem Joint Venture. „Unser Großkunde Homag befürchtete eine zu große Knowhow-Konzentration bei Zimmer, daher hat man uns freundlich gebeten, Benz in einem Joint Venture weiterzuführen“, so Günther Zimmer augenzwinkernd.

Homag kauft Benz ganz

Inzwischen hat Homag seine Beteiligung an Benz erhöht, denn Benz ist für Homag der bevorzugte Entwicklungspartner und Lieferant im Bereich der Werkzeugsysteme. Die restlichen Anteile wird Homag Ende 2018 übernehmen. Im Zuge der Aufstockung der Beteiligung sind Günther und Martin Zimmer als Geschäftsführer bei Benz Werkzeugsysteme ausgeschieden. Alleiniger Geschäftsführer ist dadurch Marco Huber. Martin Zimmer bewertet die Zusammenführung der Anteile positiv: „Benz bekommt damit einen starken Anteilseigner, der das weitere weltweite Wachstum sichert.“

Aber zurück zu Zimmer: Hier kam 2007 noch ein weiterer Geschäftsbereich hinzu: Die Kunststofftechnik. Diesmal aber nicht aufgrund einer Kundenanfrage, sondern aus strategischen Gründen. „Damals haben wir erste Spritzgussmaschinen gekauft, damit unsere Ingenieure nicht immer nur in Metall denken“, berichtet Martin Zimmer. Inzwischen beschäftigt sich der Unternehmensbereich nicht nur mit Kunststoffspritzguss, sondern auch mit innovativem Metallpulverspritzguss MIM (Metal Injection Moulding).

So ist also Stück für Stück in den Rheinauen über die Jahre ein breit gefächertes Knowhow gewachsen: Von Handhabungs- und Lineartechnikkomponenten, Greif- und Automationssystemen über CNC-Werkzeugsysteme sowie Industriestoßdämpfer und Möbeldämpfer bis hin zu Kunststoff-, Elastomer- und MIM-Bauteilen.

Um mehr Synergien zwischen den einzelnen Bereichen heben zu können – etwa im Außendienst – und um nach außen hin sichtbarer zu werden, entschlossen sich die Brüder 2013 die Einzelfirmen unter dem Dach der Zimmer Group aufgehen zu lassen. Die fünf aktiven Firmen wurden in Technologiebereiche aufgeteilt und neu strukturiert.

Als Einheit sichtbar

„Weil wir nun als Einheit auftreten, werden auch unsere Potenziale besser wahrgenommen“, so Günther Zimmer. Dafür sorgt nicht zuletzt der Claim Knowhow-Factory: „Wir arbeiten schon für große OEMs und wollen als Knowhow-Factory noch mehr machen. Wir wollen Systempartner sein und nicht nur Komponentenlieferant.“

Die Produktionsstandorte der Zimmer Group wurden, diesem Ziel folgend, konsequent auf Zukunft ausgerichtet. Prozesse wurden an die Anforderungen von Industrie 4.0 angepasst. Die Entwicklung des Produktportfolios der letzten Jahre spiegelt diesen Weg, diese Begeisterung in vielen Aspekten wider. Automatisierungskomponenten der Zimmer Group haben den Wandel von mechanischen Produkten zu mechatronischen High-End-Komponenten vollzogen, und wir sind erst am Anfang.

Die Neuaufstellung, bei der die Zimmer-Brüder von einem weiteren Geschäftsführer, dem ehemaligen Homag-Manager Achim Gauß, tatkräftig unterstützt werden, hatte noch einen weiteren Aspekt. „Wir wollen so die zweite Gründergeneration, die bereits Einzug ins Unternehmen gehalten hat, mitnehmen und auf ihre Aufgaben vorbereiten“, sagt Günther Zimmer.

10 Kinder als Nachfolger

Insgesamt 10 Kinder bringen die beiden Brüder ein – der Älteste ist 33, die Jüngste gerade erst geboren. „Eine ganze Reihe der Kinder ist schon im Unternehmen aktiv, in recht unterschiedlichen Bereichen: Vom Vertrieb über das Controlling und Personal bis zur Konstruktion“, berichtet Martin Zimmer.

Konflikte und Eifersüchteleien gab es dabei bisher nicht, betonen die Söhne Vincent und Jonas Zimmer. Günther Zimmer erwartet auch zukünftig keinen Streit darüber, wer als Geschäftsführer das Ruder in der Hand hat. „Nicht jeder kann und will eine Führungsrolle übernehmen. Und nicht jeder mit Führungsrolle wird gleich Geschäftsführer.“ Daher werde es in der Zimmer Group auch zukünftig weiter externe Geschäftsführer geben.

Den Übergang gehen die Brüder mitsamt der Kinder sehr geplant an: „Am Beispiel bekannter Unternehmen haben wir schon früh erleben müssen, wie ein Übergang auf die zweite Generation auch schief gehen kann – das wollen wir vermeiden“, so Martin Zimmer. Nachdem man zunächst interne Workshops im Familienkreis gemacht hat, holt man sich seit gut einem Jahr auch externe Hilfe hinzu in Form eines Beratungshauses, das sich auf Unternehmensnachfolge spezialisiert hat.

Dass sich die Kinder auch mit ihren Ausbildungen und Studiengängen gezielt auf den Einstieg ins Unternehmen vorbereiten, freut die beiden Zimmer. „Wir haben damals ja bei Null angefangen – da konnten wir noch das Prinzip Learning by doing anwenden. Das geht heute mit einer Unternehmensgruppe mit über 100 Millionen Euro Umsatz nicht mehr“, so Martin Zimmer.

Geplanter Übergang

Ins elterliche Unternehmen einzusteigen, sei für sie nie eine Frage gewesen, berichten Jonas und Vincent Zimmer. „Wir sind ja quasi Tür an Tür mit der Fabrik aufgewachsen.“ Und der Opa habe sie gerne mitgenommen in die Fabrik auf technische Ausflüge. Als besonders positiv bewerten die Kinder, „dass wir nie Druck gespürt haben, ins Unternehmen einzusteigen.“ Das kann Martin Zimmer nur bestätigen: „Es ist schön zu sehen, dass sich die Kinder für das begeistern, was wir aufgebaut haben. Zwingen würde ich sie aber nie.“

Dass der Übergang in die zweite Generation so gut läuft, gibt Günther Zimmer die Möglichkeit, doch noch an der Verwirklichung seiner Träume zu arbeiten. Vor einiger Zeit hat er ein Stück Land auf Mallorca gekauft und mit Olivenbäumen und Rebstöcken bepflanzt. Inzwischen stehen dort auch eine Finca und eine Weinkellerei. „In Kürze wird auch der erste Wein zu genießen sein, die erste Lese war im August letzten Jahres“, freut sich Günther Zimmer, der zugleich betont: „ Das ist nicht nur Liebhaberei, sondern durchaus als Business konzipiert.“

Aber natürlich sei die Finca auf Mallorca auch eine Möglichkeit, doch noch die Bio-Bauernhof-Träume aus den achtziger Jahren zu verwirklichen, gibt er zu. Dennoch: Dass er damals Technik-Unternehmer und nicht Bio-Landwirt geworden ist, hat er nie bereut: „Als Landwirt wäre ich sicher nicht so erfolgreich gewesen.“

Zimmer GmbH

www.zimmer-group.de


Wertschätzung für Mitarbeiter und Umwelt

Die beiden Brüder haben sich in all der Zeit prima ergänzt und sind bis heute ihren gemeinsamen Werten treu geblieben. Dazu zählen die Wertschätzung der Mitarbeiter und Kunden, die Familie, aber auch der verantwortliche Umgang mit der Umwelt. Die Zimmer Group ist international dafür bekannt, moderne und zukunftsorientierte Arbeitsplätze in architektonisch anspruchsvollen Gebäuden mit interessantem Umfeld wie einem eigenen Betriebsrestaurant zu bieten. Darüber hinaus werden die Gebäude mit Geothermie temperiert und mit rund 1,2 Mio. Kilowatt Solar-Strom aus eigener Produktion versorgt.

Moderne Arbeitsplätze in architektonisch anspruchsvollen Gebäuden.
Bild: Zimmer
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