Die vorangegangenen Teile dieser Serie beschäftigten sich mit den neuen Rollen von Kunden und Wettbewerbern im Rahmen der digitalen Transformation. Doch egal ob Sie Ihre Kunden besser verstehen oder von Plattformen profitieren möchten: Die Grundlage dafür sind Daten. Und wertvolle Daten fallen heute kontinuierlich und automatisch an: ob durch Sensoren, in sozialen Netzwerken oder auf Verkaufsplattformen. Über 20 Milliarden vernetzte Geräte bilden das Internet der Dinge und erzeugen gemeinsam mit allen anderen Quellen eine Datenmenge im mittleren zweistelligen Zettabyte-Bereich.
Strukturierte Daten, die ohne Weiteres in bestehende Datenbanksysteme integriert werden können, stellen nur einen kleinen Teil dieser Datenflut dar. Auch unstrukturierte Daten werden immer wichtiger, deren Mehrwert muss aber in den meisten Fällen erst noch identifiziert werden. Dadurch bestehen die größten Herausforderungen nicht mehr allein in der Speicherung und Verwaltung dieser Daten, sondern darin, potenziell relevante Daten zu identifizieren und durch Data Analytics in Mehrwert zu verwandeln.
Strategischer Wert oft unbekannt
Vielen Unternehmen ist der strategische Wert ihrer Daten noch nicht in vollem Umfang bewusst. Die Daten ausschließlich zu nutzen, um die Effizienz der internen Prozesse nachträglich zu kontrollieren, stellt nur die unterste Stufe des Potenzials dar. Auf einer zweiten Entwicklungsstufe können relevante Daten kontinuierlich und quasi in Echtzeit analysiert werden, um auch Entwicklungen in der Zukunft zu prognostizieren und datenbasiert Empfehlungen für Entscheidungen zu geben. Die gleiche Datenbasis schafft die Voraussetzung dafür, dass regelmäßige Entscheidungen wie die Anpassungen von Produktionskapazitäten oder Preisen automatisiert werden können.
Doch erst Unternehmen auf der nächsten Entwicklungsstufe nutzen diese Daten dafür, Innovationen zu entwickeln und ihre Produkte und Services anzureichern, um somit auch ihren Kunden einen zusätzlichen Mehrwert im Gegenzug für ihre Daten zu bieten. Ein gutes Beispiel ist die vorausschauende Wartung einer Produktionsanlage. Der größtmögliche Nutzen entsteht hierbei erst, wenn der Hersteller der Maschine oder Anlage die Daten aller seiner weltweit angeschlossenen Maschinen bündelt und durch selbstlernende Algorithmen auswertet: Dann werden die Vorhersagen mit jeder weiteren Maschine genauer. Dadurch entsteht für alle Kunden ein Mehrwert, den sie eigenständig nicht erzielen könnten – und es entstehen neue Möglichkeiten für Geschäftsmodelle, die statt des Verkaufs von Maschinen und Anlagen die Nutzung in den Mittelpunkt stellen.
Neues Mindset nötig
Alle Unternehmen sollten sich der strategischen Rolle von Daten bewusst werden. Das reine Sammeln von Big Data ohne die entsprechenden Auswertungsmöglichkeiten schafft allerdings keinen Mehrwert. Vielmehr sollten Firmen strategische Überlegungen dazu anstellen, welche Daten wie ausgewertet werden müssten, um welchen Mehrwert zu schaffen, und wie Produkte mit datenbasierten Services angereichert werden könnten. Um auf dieser Basis eine datengetriebene Kultur im Unternehmen zu etablieren, ist zudem ein neues Mindset nötig:
- Erkennen Sie die strategische Relevanz an. Die Relevanz von Daten ist zu groß, um sich auf Insellösungen ohne zentrale Steuerung zu verlassen. Industrie-4.0-Projekte sollten nicht nebenbei von der Produktionsleitung durchgeführt und verantwortet werden.
- Betrachten Sie Ihr Unternehmen ganzheitlich. Bereitstellung und Nutzen interner Daten enden nicht an Abteilungsgrenzen. Erst durch die Verknüpfung fragmentierter Datenbestände und die Auflösung von Silos können sie ihren ganzen Mehrwert entfalten.
- Denken Sie Ihre Kundenbeziehungen neu. Mit Daten über Ihre Zielgruppe und mit Blick auf tatsächliche Probleme und Pain Points der Kunden können Sie Produkte und personalisierte Services entwickeln.
- Nutzen Sie Daten kontinuierlich. Verlassen Sie sich bei Entscheidungen nicht nur auf Ihr Bauchgefühl, wenn Sie auch auf eine umfassende Datenbasis zurückgreifen könnten. Das gilt auch für das experimentelle Entwickeln neuer Produkte und Services.
Zum Autor
Dr. Jörg Wallner ist seit 2013 Director Innovation & Change des 2b Ahead Think Tanks. Strategieentwicklung und Transformation unter dem Vorzeichen der Digitalisierung stehen im Mittelpunkt seiner Tätigkeit. Als Impulsgeber zeigt Wallner Unternehmen, wie sie mit Digitalisierung umgehen können. Als Berater begleitet er Unternehmen bei der Umsetzung entsprechender Konzepte.
Zudem ist Dr. Jörg Wallner am 18. Juni 2020, 10 Uhr Keynoter auf dem automatica Forum 2020 in München. Sein Thema: „Die Zukunft der Produktion – Aufbruch in ein neues Zeitalter.“
Exklusive Serie: Digitale Transformation
Die Automationspraxis-Serie „So gelingt die digitale Transformation“ beleuchtet Herausforderungen und Lösungsansätze für die digitale Transformation:
Teil 1: Kunden: Inspiration, Austausch und Vernetzung ersetzen Marketingbotschaften
Teil 2: Wettbewerb: Neue Wege mit Kooperationen und Platt‧formen
Teil 3: Daten: Von der Speicherung und Verwaltung zum Schaffen neuer Werte
Teil 4: Innovation: Tests und Experimente lösen Entwicklungsprozesse ab
Teil 5: Wertschöpfung: Neue Logiken, neue Kunden und neue Werte
Teil 6: Führung: Klassische Strukturen aufbrechen und den Wandel unterstützen
Mehr zum Thema Industrie 4.0