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Matthias Lapp: „Wir leben Verbindungstechnik“

Lapp im Porträt: Vom Kabel zur Connectivity
Matthias Lapp: „Wir leben Verbindungstechnik“

Wie er das Familienunternehmen Lapp vom Kabelanbieter zum Verbindungstechnik-Spezialisten wandelt und warum dazu nicht nur Connectivity-Lösungen gehören, sondern auch ein interner Kulturwandel, erläutert der CEO Matthias Lapp im Macher-Interview.

Interview: Armin Barnitzke

Sie hatten mal in einem Interview gesagt, dass Sie als dritte Generation bei Lapp „einiges anders machen wollen“. Warum?

Lapp: Ich bin nun seit rund elf Jahren im Unternehmen und seit 2017 Geschäftsführer. Als ich mich mit meiner Rolle in der Geschäftsleitung befasst habe, bin ich auf ein tolles Zitat gestoßen, das mich stark geprägt hat: „Tradition ist Weitergabe des Feuers und nicht Anbetung der Asche.“

Was bedeutet das für Sie?

Lapp: Auch wir als erfolgreiches Familienunternehmen müssen uns weiterentwickeln – hin zu einer schnelleren Organisation und zu mehr Kundenorientierung. Es geht nicht darum, das ganze Unternehmen von links auf rechts umzukrempeln. Vielmehr wollen wir die Dinge, die schon gut laufen, noch besser herausarbeiten, aber auch die Anforderungen des Marktes und der Kunden noch besser aufnehmen. Um im Bild zu bleiben: Ab und zu muss man neue Holzscheite ins Feuer legen. Und bereits brennende Holzscheite kann man mit etwas Luftzufuhr noch besser anheizen. Aber es gibt eben auch Asche von Holzscheiten, die zwar mal sehr gut gebrannt haben, aber nun verglüht sind. Auch das muss man akzeptieren.

Und was heißt das für Ihr Portfolio?

Lapp: Wir sind ja mit Kabeln groß geworden, mein Opa hatte damals die geniale Idee mit der Ölflex-Leitung. Heute ist unser Slogan: Reliably connecting the world, also die Welt verlässlich verbinden. Wir wollen mehr sein als nur ein Kabel-Hersteller und -Händler: Wir wollen Verbindungstechnologie von A bis Z leben. Kurzum: Als dritte Generation streben wir die Entwicklung vom Ölflex-Kabel- zum Connectivity-Lösungsanbieter an. Kabel ist nur noch ein Bestandteil für uns, wenn auch ein großer und wichtiger.

Sind dabei die Technik und das Portfolio die größte Herausforderung? Oder ist es eher eine Frage des internen Herangehens?

Lapp: Beides. Basis ist natürlich das interne Mindset bei Lapp – deswegen haben wir schon vor Jahren einen internen Kulturwandel gestartet. Aber es geht eben auch darum, dass der Markt und die Kunden erkennen, dass wir komplette Lösungen bis hin zur Software anbieten können. Der Kunde muss uns wahrnehmen als Ansprechpartner, mit dem man auf Augenhöhe reden kann.

Was genau kann man sich unter Kulturwandel vorstellen?

Lapp: Wie bereits erwähnt, geht es besonders um das interne Mindset. Wir haben als Basis unsere Werte festgelegt, beziehungsweise aufgefrischt: kundenorientiert, familiär, innovativ, erfolgsorientiert. Das ist unser Fundament – für alle unsere Mitarbeitenden und unser geschäftliches Handeln. Ergänzt wurde das durch einen Logo-Wechsel von Lapp Kabel und Lapp Group hin zum gemeinsamen Auftritt als Lapp, um damit den Wandel zum Anbieter für Verbindungslösungen als innovativeMarke zu untermauern.

Und die interne Kultur?

Lapp: Durch die Digitalisierung und die VUCA-Welt, die ja durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit gekennzeichnet ist, müssen wir die Fähigkeit haben, uns immer schneller anzupassen. Dazu gehört auch, dass wir uns als Team begreifen und keine Gräben zwischen einzelnen Abteilungen ziehen. Das haben wir aufgebrochen, Hierarchien abgebaut sowie eine Kultur des offenen Feedbacks aufgebaut. Wir sehen uns als One Lapp, alle ziehen an einem Strang und wir kommunizieren offen miteinander.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Lapp: Durch viel Arbeit, viele Workshops und viel Verständnis füreinander, etwa durch Jobshadowing. Kulturwandel bedeutet aber auch: ausprobieren, scheitern, daraus lernen und den nächsten Versuch starten. Wir haben unglaublich viele Konzepte und Formate getestet und immer weiter herauskristallisiert, was das Richtige für Lapp und unsere Kultur und Zusammenarbeit ist. Und wir sind noch nicht am Ziel, werden es womöglich nie sein: Echter Kulturwandel braucht viel Zeit und Durchhaltevermögen.

Wie schafft man den Schritt von einem in Stuttgart-Vaihingen gegründeten Familienunternehmen zu einem agilen Global Player?

Lapp: Ja, das ist ein Spagat, der uns aber ganz gut gelingt. Eben durch die Verbindung aus Tradition und Moderne. Wir sind jetzt allerdings in einer Größenordnung angelangt, wo wir uns professionalisieren müssen. Unsere Kunden verlangen von uns weltweit den gleichen guten Service. Daher gibt es nicht mehr nur die Eigentümerfamilie, die Familie Lapp, sondern auch die Lapp-Familie, in der sich jeder Mitarbeitende als Teil der Großen OneLapp-Familie versteht.

Wie füllt man das mit Leben?

Lapp: Das Gemeinschaftsgefühl unterstützen wir durch globale Zusammenkünfte, etwa durch unser Fußballturnier mit Mannschaften aus der ganzen Welt. Das sind dann rund tausend Menschen, die jedes Jahr zusammenkommen – wenn kein Corona ist. Das Turnier findet immer in einem Lapp Land statt, nicht nur in Deutschland, sondern auch bin Singapur, USA oder Südafrika. In dem Fußball-Turnier kickt dann Lapp Indien gegen Lapp Dubai und Lapp Mexiko gegen Lapp Italien. Es geht uns hier darum, die Menschen zusammenzubringen, damit diese sich mit den Kollegen austauschen können. Und natürlich sind auch wir als Eigentümerfamilie dort erlebbar und erfahrbar. So entsteht ein Wir-Gefühl.

Und wie gehen Sie das Thema Digitalisierung an?

Lapp: Mein Bruder ist vor drei Jahren als Chef der Digitalisierung angetreten. Wir haben also das wichtige Thema Digitalisierung mit einem Familienmitglied besetzt. Dabei treiben wir zum einen intern die Digitalisierung voran, beispielsweise die digitalen Prozesse und Schnittstellen hin zum Kunden, also beim Vertrieb oder im Webshop. Aber wir haben die Digitalisierung zum anderen auch in jedem Fachbereich strategisch als Kernpunkt verankert: Ob in der Logistikkette, in den Produktionswerken oder in der Verwaltung. So bauen wir Inhouse-Kompetenz auf und können den Kunden eine Lösungen für ihre Probleme bieten. Das kann so weit gehen, dass wir ihnen zum Beispiel mit Softwarelösungen und unserem Wissen helfen, ihre Lager zu optimieren – weil wir eben einfach gut sind in diesen Dingen.

Denken Sie auch an intelligente Produkte? Also Kabel, die merken, wenn sie bald brechen?

Lapp: Klar. Hier haben wir auch schon einiges aus unserem Innovation Center vorgestellt, etwa Etherline Guard. Mit diesem Gerät können wir messen, wann Datenleitungen an Leistungsfähigkeit verlieren. Einige andere wichtige Bereiche sind in Arbeit, hier kann ich aber leider noch nichts verraten. Aber natürlich sind IIoT-Themen wie IO-Link, 5G oder Wifi enorm wichtig für uns.

Apropos WiFi und 5G: Wie reagiert Lapp als Kabel-Firma, wenn künftig alles drahtlos wird?

Lapp: Nun ja. Jede Funk-Box, jeder WLAN-Router und jede Mobilfunk-Antenne – und mit 5G brauchen wir davon ja noch viel, viel mehr – wird mit einem Kabel angeschlossen. Und auch der Markt der klassischen Datenleitung wächst immens. Im IIoT sind überall Sensoren drin und dran und diese vielen Millionen Datenpakete müssen ja irgendwie weitergeleitet werden. In einer Fabrik – und dort sind wir ja hauptsächlich zu Hause – geht das nicht über Funk, weil es dort ganz viele Interferenzen gibt.

Und wollen Sie auch WLAN-Router oder 5G Campus Netze ins Portfolio aufnehmen?

Lapp: Wir bieten Verbindungslösungen aus einer Hand. Ob wir das dann alles im eigenen Haus herstellen oder manches über Partner abdecken, ist eine ganz andere Frage. Aber wir wollen zumindest die Kompetenz haben und das Thema verstehen, um die Kunden gut zu beraten.

Wo sehen Sie künftige Marktchancen?

Lapp: Die moderne industrielle Kommunikation – die Daten der Industrie 4.0, das IIoT sowie 5G – ist natürlich einer der großen Wachstumsmärkte für uns. Aber auch die Elektromobilität ist ein sehr, sehr interessantes Wachstumsfeld. Mit Lapp Mobility bieten wir hier ein breites Portfolio für die Ladeinfrastruktur – vom Ladekabel bis zur Wallbox oder zur Ladesäule. Um diesen Markt zu bedienen, haben wir auch ein unternehmenseigenes Start-up ausgegründet – denn das ist eine ganz andere Welt, in der man agiler und flexibler handeln muss. Zudem haben wir in keinem Markt 100% Marktanteil, das heißt auch in den klassischen Märkten gibt es für Lapp noch viel zu tun.

Soll es zukünftig weitere Start-ups oder sogar Zukäufe geben?

Lapp: Natürlich denken wir über eine Arrondierung der Portfolios nach, das können Start-up-Gründungen sein ebenso wie Zukäufe, ob nun national oder international. Das können aber auch Partnerschaften sein. Die Krise hat uns gezeigt, dass wir mit Partnerschaften viel flexibler und schneller Lösungen entwickeln und den Kunden einen Mehrwert bieten können als allein.

Was haben Sie sonst noch aus Corona gelernt?

Lapp: Wir haben gelernt, wie wichtig eine starke, schnelle Entscheidungsfreudigkeit der Mitarbeiter vor Ort ist. Und wir haben gelernt – und das passt zur Digitalisierung und zu VUCA – dass wir in einer verrückten volatilen Welt leben und wohl weiter leben müssen. Schauen Sie sich allein dieses Jahr an: Im Januar hatten wir noch eine stagnierende Wirtschaft, im Februar ging das Geschäft allmählich los, dann hat es richtig gebrummt und jetzt sind keine Rohstoffe mehr verfügbar. Diese verrückte Welt, in der man sich schneller auf Dinge einstellen muss, wird bleiben. Mein Onkel kannte noch eine Welt, in der es sieben gute Jahre gab und dann ein, zwei schlechte Jahre kamen. Diesen Zyklus gibt es nicht mehr, das Geschäft ist nicht mehr planbar auf 12 Monate im Voraus.

Woher nehmen Sie Ihre Inspirationen für die Modernisierung von Lapp?

Lapp: Natürlich habe ich aus dem Studium gewisse Grundkenntnisse mitgenommen. Und auch bei meiner vorhergehenden Tätigkeit gab es prägende Momente, die mich inspiriert haben, etwa beim Thema Kulturwandel. Hinzu kommen Bauchgefühl und gesunder Menschenverstand. Und dann gilt es eben einfach, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und sich mit anderen Menschen auszutauschen. Zu unserem Kulturwandel gehört daher auch ein Best Practice Learning samt Best Practice Sharing. Wenn wir in einem Land eine Sache richtig gut machen, warum machen wir es dann nicht überall genauso?

Und die Familie trägt Ihre Ansätze mit?

Lapp: Ja, wir sind alle auf einer Wellenlänge. Ich bin sehr dankbar, dass mein Vater und mein Onkel mir und meinem Bruder lange Leine lassen und uns machen lassen. Das finde ich toll. Auf der anderen Seite gibt es aber natürlich auch einen gesunden Austausch zwischen uns, wir haben sehr viele Abstimmungen und Gespräche. Ich sehe mich als Bewahrer dessen, was mir anvertraut ist und will es möglichst in gleicher Größe oder etwas größer weitergeben. Wir tragen als Arbeitgeber schließlich nicht nur Verantwortung für 5000 Mitarbeitende und deren Familien, sondern auch für unsere Kunden. Deswegen wird es bei Lapp von heute auf morgen keine abrupte Wende geben.

U.I. Lapp GmbH

www.lappgroup.com


In dritter Generation erfolgreich

Matthias Lapp ist seit 1. Juli 2017 Geschäftsführers der U.I. Lapp GmbH sowie CEO für Lateinamerika, Europa, den Mittleren Osten und Afrika. Nach seinem Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre in München und Amsterdam sowie einer beruflichen Tätigkeit bei Coca-Cola in Mexiko ist er 2010 in die Lapp Holding AG eingetreten. Sein Bruder Alexander Lapp verantwortet, nach seiner Zeit bei Lapp in Singapur, als Senior Manager Digitalisation & e-Business die digitale Transformation der Lapp Gruppe.

Gegründet wurde das Unternehmen Lapp in Stuttgart Vaihingen, wo auch heute noch das Headquarter ist, von den Großeltern Oskar und Ursula Ida Lapp. Basis dafür war Oskar Lapps Kabel-Innovation: Er erfand 1957 die erste industriell gefertigte ölbeständige und flexible Steuerleitung mit Farbcodierung und machte so das zeitaufwändige, manuelle Einziehen von Kabeladern und Schaltlitzen in Schläuche überflüssig.

1959 meldete Ursula Ida Lapp beim Amtsgericht Stuttgart die U.I. Lapp KG an. Den Firmennamen hatten die beiden Ehepartner gemeinsam am Küchentisch entwickelt, ebenso den Kabel-Markennamen Ölflex. Die Nachfrage nach vorgefertigten Kabelsträngen war enorm, Lapp expandierte schnell.

Nach dem Tod von Oskar Lapp, der 1987 an einem Herzinfarkt starb, führte Ursula Ida Lapp mit ihren Söhnen Andreas und Siegbert die Firma weiter. Mit Matthias Lapp und Alexander Lapp, den Söhnen von Siegbert Lapp, hat nun die dritte Generation die Verantwortung für rund 5.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von rund 1,3 Milliarden Euro.


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