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Robotereinsatz in KMUs? Einfach mal machen!

Herausforderungen für die Robotik in kleinen und mittleren Unternehmen
Robotereinsatz in KMUs? Einfach mal machen!

Wie findet die Robotik ihren Weg in die kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs)? Wer sind die treibenden Kräfte des Robotik-Booms? Und wo liegen noch Herausforderungen? Drei führende Köpfe des Deutschen Robotik Verbands (DRV) geben Antworten.

Autor: Armin Barnitzke

Die Robotik erobert mehr und mehr auch die kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs). Davon ist Helmut Schmid, Vorstand des DRV und zugleich Geschäftsführer beim Cobot-Hersteller Franka Emika, fest überzeugt: „Die Zahl der installierten Industrieroboter wird 2021 weltweit ein Rekordniveau von drei Millionen Einheiten erreichen. Bis 2050 sollen es laut Prognose dann schonmehr als 50 Millionen Roboter sein. Dieses Wachstum wird auch durch die Nachfrage kleiner und mittlerer Endkunden entfacht, die kosteneffiziente Automatisierung mittels Roboter nutzen müssen, um trotz Fachkräftemangel die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.“

Diesen Robotik-Boom in KMUs zu fördern, haben sich die Macher des Deutschen Robotik Verbands auf die Fahnen geschrieben. Allerdings: Noch hat der Kollege Roboter nicht überall Einzug gehalten, wo er könnte. „Die Robotik im Mittelstand ist auf einem guten Weg, allerdings je nach Applikation sehr unterschiedlich stark“, sagt Helmut Schmid. „Wer zum Beispiel CNC-Maschinen beladen möchte, ist schnell bei der Robotik gelandet. Aber wo in der Logistik noch die Sackkarre dominiert, ist es noch ein weiter Weg zur Robotik – auch wenn die Technik eigentlich vorhanden ist.“

Newcomer mischen den Markt auf

Was sind also die Voraussetzungen für den weiteren Siegeszug der Robotik in KMUs? „KMUs benötigen einfach zu bedienende Software, erschwingliche Hardware und einen einfachen Vertriebsansatz“, bringt es DRV-Vorstand Olaf Gehrels auf den Punkt. Aus seiner Sicht sind die etablierten Industrieroboter dabei eher nicht die erste Wahl: „Industrieroboter sind heute immer noch ein Expertenwerkzeug.“

Für den Gründer des Start-ups Coboworx und langjährigen Top-Manager bei Fanuc und Midea ergeben sich dadurch für neue Marktteilnehmer ungeahnte Möglichkeiten: „Es sind gerade die Newcomer aus Deutschland wie Artiminds, Drag&Bot, Micropsi, Robocloud, Robominds und Wandelbots, die mit ihren kreativen Lösungen die Bedienung von Robotern ohne Expertenwissen möglich machen.“

Daher will der DRV nicht nur ein Sammelbecken der mittelständischen Anwender und Betreiber sein, sondern auch den vielen kleinen Newcomern unter den Anbietern eine Heimat geben. DRV-Vorstand Christoph Ryll: „Wir sind von den Technologien der Newcomer überzeugt. Diesen Trend wollen wir als Verband unterstützen und die Aufbruchstimmung weiter entfachen.“

Einfache Bedienung ist ein Muss

Ein wesentlicher Vorteil der neuen Anbieter ist für Olaf Gehrels deren sehr kundenzentrierte Herangehensweise. „Sie wollen die kleinen und mittelständischen Unternehmen inspirieren, die neuen Technologien zu nutzen. Die Bedienerfreundlichkeit – und damit auch die Akzeptanz der menschlichen Kollegen – entscheiden maßgeblich über den Erfolg einer ersten Automatisierung im Unternehmen.“

Der Robotik-Experte verdeutlicht insbesondere den Aspekt der einfachen Bedienung: „Um zu lernen, wie man einen Industrieroboter programmiert, braucht man ein bis zwei Wochen. Um zu lernen, wie man einen UR-Cobot programmiert, braucht man ein bis zwei Tage. Mit Wandelbots sind es nur ein bis zwei Stunden.“ Einen Roboter in weniger als einer Stunde in Betrieb zu nehmen, sei aber nicht nur die Messlatte zeitgemäßer Applikationstechnik, sondern gerade in KMUs, die ja meist keine Roboter- und Programmierspezialisten besitzen, „unabdingbare Voraussetzung für die Akzeptanz der Robotertechnik – und für die erforderliche Wirtschaftlichkeit.“

Gefragt: Wissen, Vertrauen, Mut

Allerdings fehle KMUs zuweilen auch ein wenig das Verständnis für die Chancen durch die Robotik, weiß DRV-Vorstand Christoph Ryll, erfahrener Roboter- und Sicherheitsexperte und Gründer von Robotics Consulting: „Eine wesentliche Hürde ist das Erkennen von den Aufgaben und Arbeitsschritten, die sich für eine Automatisierung eignen – Stichwort Machbarkeit mit produktionsstabiler Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit.“

Zudem sei vielen KMUs zu wenig bewusst, dass Robotik nicht nur eine Aufgabe lösen, sondern dem ganzen Unternehmen helfen könne, die Power der Digitalisierung erfolgreich zu nutzen. Ryll: „Der Roboter sieht und berührt jedes Werkstück, er kennt die Qualität und den Durchsatz und er sammelt ganz viele Daten, die etwa für eine ständige Prozessoptimierung so wichtig sein könnten. Aber heute lassen wir diese Daten ungenutzt.“

Die Macher des Deutschen Robotik Verbands raten KMUs daher, beim Thema Roboter einfach mal loszulegen und so erste Erfahrungen zu sammeln. „First move, then improve – an diesem Leitsatz orientieren sich viele chinesische Unternehmen“, weiß Olaf Gehrels aus seiner Zeit in China beim Kuka-Mutterkonzern Midea. „Dieser Leitsatz könnte und sollte auch für deutsche KMUs gelten. Also frei übersetzt: Mach‘ mal den ersten Schritt, verbessern können wir es dann immer noch.“

Ikea der Robotik in Sicht?

Gefordert ist in den KMUs also etwas mehr „Mut zur Robotik“. Denn teure Robotik-Spezialisten sind gar nicht unbedingt notwendig, um die ersten Schritte zu machen, erklärt Helmut Schmid: „Wer ein klares Konzept und eine einfache Aufgabe hat, für den ist auch eine Do-it-yourself-Lösung möglich.“ Die neuen Cobot Lösungen seien nicht mehr „hochkomplex“ oder „schwierig und teuer“, wie ihre großen Brüder aus der Industrierobotik. „Dadurch braucht man keine Mitarbeiter mehr, die auf Robotik spezialisiert sind.“

Wird der Aufbau von Roboteranwendungen dann eines Tages so einfach wie der Zusammenbau eines Ikea-Schrankes sein? Und wer wird dann zum Ikea der Robotik? „Eine interessante Frage“, findet Helmut Schmid, eine Antwort sei aber gar nicht so leicht. Immerhin habe es aber mit Universal Robot bereits einen ersten Ikea-Moment in der Robotik gegeben. Der Roboter als Assistent eines jeden Werkers ohne Schutzzaun am bestehenden manuellen Arbeitsplatz – diese Vision sei das Verdienst des einstigen dänischen Start-ups Universal Robots, das erst viele Jahre nach seinem Markteintritt 2009 von den etablierten Roboterherstellern ernst genommen wurde.

„Aber mehr als 50 Prozent Marktanteil für UR sprechen ja eine sehr deutliche Sprache. Das von Universal Robot geschaffene UR+ Angebot bietet dem Kunden einen Baukasten mit Grundausstattung und jederzeit passendem Zubehör. Und genau hier setzen auch die jungen Marktteilnehmer wie Franka Emika, Yuanda Robotics und Fruitcore Robotics an, um Mittelständlern eine noch breitere Basis und Auswahl zu bieten, damit diese die jeweils beste Lösung für sich finden.“

Mieten statt kaufen

Die Technik ist also durchaus vorhanden. Förderlich für die Bereitschaft der KMUs, bei der Robotik einfach mal loszulegen, könnten auch neue Angebote wie ‚Roboter mieten statt kaufen‘ sein: „Solche Geschäftsmodelle könnten gerade für Neueinsteiger ein zusätzliches Argument sein, sich mit der Robotik zu beschäftigen. Denn man kauft ja nicht die Katze im Sack, man mietet sie allenfalls“, sagt Olaf Gehrels.

Und dieser Marktansatz sei keine reine Zukunftsmusik: „Der Trend ist eindeutig. Ein Blick in die USA reicht, um zu sehen, dass junge Unternehmen wie z.B. Rapid Robotics auf die starken Anfragen der Endkunden reagieren und das Abo-Modell aktiv anbieten. Roboter plus Software für eine feste monatliche Gebühr ab 1500 Euro. Das ist ein Wort!“ Auch in Europa werden sich KMUs nicht länger mit dem traditionellen Preisansatz zufriedengeben, ist Olaf Gehrels überzeugt. „Ein solches RaaS-Modell wird in aller Konsequenz dazu beitragen, die heutige Preisbarriere zu beseitigen und es KMUs wirklich einfach machen, neue Produkte und Technologien zu nutzen.“

Deutscher Robotik Verband e.V.

https://robotikverband.de/


Cobot oder Industrieroboter?

Ist Robotik in KMUs vor allem ein Cobot-Thema? Ja und Nein, sagen die DRV-Macher: „Da beim aktuellen Angebot der Cobots auch einfache Programmiermethoden Teil des Angebots sind, ist ein Cobot-Einsatz durchaus überlegenswert und häufig der erste Schritt. Das schließt aber einen Einsatz von klassischen Industrierobotern nicht aus, die es ja auch mit praktikabler Sicherheitsausstattung gibt“, erläutert Christoph Ryll. „Zumal es ja ohnehin einen Unterschied macht, ob es beim Robotereinsatz um reines Handling oder um Prozessaufgaben wie Schweißen oder Kleben geht.“ Grundsätzlich gelte: „Diejenige Lösung, die den Werker entlastet, ist die richtige Lösung – sei es aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Sicherheit oder wegen des Fachkräftemangels.“


Sicherheit noch zeitgemäß?

Um KMUs den Einstieg in die Robotik zu vereinfachen, sollten auch die Sicherheitsnormen den neuen Möglichkeiten angepasst werden, findet Christoph Ryll. „Die Welt der Robotik hat sich massiv verändert. Leichtbauroboter erobern in atemberaubender Geschwindigkeit den Markt und eröffnen dem Anwender eine große Vielzahl neuer möglicher Anwendungen, speziell in der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern.“ Daher müssten Richtlinien und Normen an die technische Entwicklung angepasst werden. „Wenn man sich die aktuelle Normenlage ansieht, wird man feststellen, dass wir eine DIN EN ISO 10218–1 aus dem Jahr 2012 haben. Wir haben nun aber das Jahr 2021.“


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