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Batteriemontage: Deutscher Maschinenbau nimmt Fahrt auf

Deutsche Maschinenbauer punkten mit Erfahrung und Digitalisierungs-Knowhow
Batteriemontage: Deutscher Maschinenbau nimmt Fahrt auf

Die Elektromobilität kommt langsam in Gang – und die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer wittern eine große Chance. Sie können bei der Batterieproduktion mit Flexibilität und digitaler Kompetenz punkten. Doch die Montage von Batteriemodulen und -packs stellt auch Herausforderungen.

Autor: Markus Strehlitz

Eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen bis zum Jahr 2020 – von diesem Ziel ist Deutschland noch weit entfernt. Doch trotzdem kommt die Elektromobilität hierzulande voran – zumindest was die Produktion betrifft. Zwar bleibt die Zellfertigung weiter in asiatischer Hand, doch investieren deutsche Autobauer und Zulieferer in Produktionsanlagen für Batteriemodule und -packs.

Auf einer Fläche von 6000 m2 errichtet zum Beispiel BMW im Westteil seines Dingolfinger Komponentenwerks eine Fertigung für Batteriemodule sowie eine entsprechende Montagelinie. Auch Mercedes-Benz und Volkswagen bauen in Deutschland entsprechende Fertigungskapazitäten auf und aus.

„Daraus ergibt sich die Chance, dass jetzt auch die Produktion und Wertschöpfung für dieses Produkt in Europa erfolgt“, sagt Karl Fischer, der bei Teamtechnik als Bereichsleiter Projektierung und Projektmanagement für den Geschäftsbereich E-Solutions tätig ist. „Für uns Anlagenbauer wird es damit vermehrt Aufträge in der Automatisierung geben.“

Deutscher Maschinenbau gefragt

Sarah Michaelis pflichtet Fischer bei. Michaelis ist beim VDMA für den Bereich Batterieproduktion zuständig und sieht die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer bei dem Thema gut aufgestellt. Das generelle Vertrauen in den deutschen Maschinenbau ist ihrer Meinung nach groß. Auch Marco Melischko sieht das so. Es sei kein Zufall, dass etwa Elektrofahrzeugbauer Tesla vor zwei Jahren den deutschen Maschinenbauer Grohmann gekauft habe, betont Melischko, der bei Baumann Automation den Vertrieb für Batterie-Automationslösungen leitet.

Laut VDMA-Frau Michaelis gibt es bereits viele Firmen, die sich etabliert haben und bei der Modul- und Packmontage eng mit den OEMs und Zulieferern zusammenarbeiten. „Aktuell nimmt das Thema wieder Fahrt auf“, so die Expertin.

Die Technikanbieter versuchen sich auf die Nach-Verbrennungsmotor-Zeit vorzubereiten. Das ist auch dringend notwendig, denn die Abhängigkeit von dieser Technologie ist groß. „Es ist schon beachtlich, wie viel der Maschinen- und Anlagenbau für die Produktion des klassischen Antriebsstrangs liefert“, so Michaelis. Die Unternehmen aus der Branche richten ihre Strategien nun entsprechend aus. Beim Automatisierungsspezialisten Weiss etwa macht die Batteriefertigung zur Zeit zwar nur 5 Prozent des Umsatzes aus. Das erklärte Ziel seien jedoch 15 Prozent. Auch Teamtechnik nimmt das Thema ins Visier. „Wir haben bereits kundenspezifische Sonderlösungen für die Montage von Batteriekomponenten und aktuell auch eine integrierte Montage- und Prüfanlage für die Produktion von Batteriemodulen realisiert und ausgeliefert“, so Fischer.

Baumann Automation sieht die Elektromobilität ebenfalls als eines seiner Kernthemen bei der Automatisierung von Fertigungsprozessen. Der Anbieter ist seit mehreren Jahren im Bereich der Batterie-Montage-Systeme tätig und hat sich auf Automationslösungen mit vernetzten Produktions- und Steuerungsprozessen spezialisiert.

Für den Erfolg der Elektromobilität seien intelligente Produktionstechnologien eine wesentliche Stellschraube zur Kostenreduzierung von Batterien, heißt es in einer vom VDMA veröffentlichten Roadmap zu Batterieproduktionsmitteln. Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau punkte dabei durch seine starke Spezialisierung und bringe Erfahrungen aus anderen Industrien sowie der Digitalisierung mit. „Wenn es darum geht, eine hoch digitalisierte und hoch automatisierte Lösung anzubieten, dann haben wir in Deutschland die richtigen Ansprechpartner“, fasst Michaelis zusammen.

Standards sind Mangelware

Digitalisierung macht die Produktion flexibel. Und das ist bei der Montage von Batteriemodulen und -packs besonders gefragt. Denn die Batterietechnologie wird stetig weiterentwickelt, Technologiesprünge können auch mal für einen schnellen Wandel sorgen. Und die Anlagen müssen den Veränderungen dann angepasst werden. Zudem sind Standards in diesem Bereich Mangelware. „Die Beschaffenheit und Größe der Zellen, die Kontaktierungsmöglichkeiten, die Einbausituation der Zellen im Gehäuse variieren von Projekt zu Projekt und erfordern unterschiedliche Prozesslösungen“, erklärt Fischer von Teamtechnik.

Eine Herausforderung für den Anlagenbauer sei das simultane Engineering. „Zu Projektbeginn liegt das Produkt häufig noch nicht final entwickelt vor“, sagt der Experte. „Auf Kundenseite müssen noch Änderungen und Optimierungen vorgenommen werden, die Einfluss auf die Prozesslösungen haben.“ Die Batteriemodulmontage benötige grundsätzlich Sonderanlagenbau mit höchsten Ansprüchen an Automatisierungsgrad, simultanem Engineering, Prozess- und Prüftechnik, Datenhandling, Datensicherheit und Anlagendesign, fasst Fischer zusammen.

„Eine weitere Herausforderung ist das Thema Sicherheit“, sagt Melischko von Baumann. Denn schließlich habe man es mit Hochvolttechnologie zu tun. Fischer von Teamtechnik nennt ein weiteres Beispiel, wo Sicherheit besonders gefragt ist: „Beim Widerstands- beziehungsweise Laserschweißen entstehen hohe lokale Temperaturen, die im äußersten Fall zur Entzündung führen könnten.“

Das bedeutet zusätzlichen Aufwand für den Anlagenbauer, wenn er sich auf die Batteriefertigung spezialisiert. Denn der muss Kenntnisse bezüglich der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen wie Brandschutz oder Notfallkonzepte aufbauen. „Und die eigenen Mitarbeiter müssen entsprechend geschult werden“, sagt Melischko. Gemeint sind damit etwa Unterweisungen in EuP (Elektrotechnisch unterwiesene Person) und AuS (Arbeiten unter Spannung).

Das erhöhte Sicherheitsniveau ist auch mit dafür verantwortlich, dass eine Modul- und Packanlage viel Platz benötigt. Das liegt zum einen daran, dass die Batterien selbst relativ groß sind. Zum anderen muss die Linie aber separiert werden, um den Sicherheitsbestimmungen Rechnung zu tragen. „Um eine Anlage für die Batteriemodul- und -packmontage aufzubauen, braucht man daher viel Fläche, was eine weitere Herausforderung darstellt“, so Melischko.

Kontaktieren wird komplexer

Herausforderungen stellt die Batteriemontage aber auch für die Verfahren. Die Roadmap des VDMA nennt dabei zum Beispiel das Kontaktieren. Um die Elektromobilität voranzutreiben, müssen Energie- und Leistungsdichte der Batteriesysteme erhöht und die Ladezyklen beschleunigt werden. Die Spannungen im System erhöhen sich. Um die großen Ströme sicher handhaben zu können, werden die Ableiter vergrößert und die Kontaktierung dadurch komplexer.

Laserbonden biete hierfür einen vielversprechenden Ansatz, heißt es in der Roadmap. Um die massentaugliche Kontaktierung von Hochvoltverbindern umzusetzen, müssten jedoch die bestehenden Verfahren verbessert oder neue entwickelt werden. Als alternative Verfahren nennen die Experten das Verschrauben oder Ultraschallbonden.

Die Entwicklung neuer Lösungen ist zwar mit großem Aufwand verbunden. Aber gerade das Kontaktieren gebe Anbietern die Chance, sich im Markt zu platzieren, meint Michaelis. „Wer hier gute Lösungen zur Verfügung stellt, kann sich auch als neuer Player etablieren.“

MRK rückt in den Fokus

Der Bedarf nach einer flexiblen Fertigung könnte auch die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) stärker ins Licht rücken. Besonders die Systemmontage eigne sich für den Einsatz einer MRK, so die VDMA-Expertin. „Menschliche Fähigkeiten wie beispielsweise Erfahrung und Improvisation oder die Kombination menschlicher Sinne werden mit den Stärken der Roboter wie Genauigkeit, Stärke und Wiederholbarkeit kombiniert“, heißt es in der Roadmap. Diese Vorteile ließen sich für die geforderten Stückzahlen bei gleichzeitiger Flexibilität in der Produktion nutzen.

Auch Fahrerlose Transportsysteme (FTS) könnten künftig verstärkt zum Einsatz kommen. „Mit diesen lassen sich die Wege, die eine Baugruppe während ihrer Komplettierung zurücklegt, ebenso rasch und unkompliziert an neue Erfordernisse anpassen wie die Verweildauer an den einzelnen Stationen“, sagt beispielsweise Arthur Kornmüller, Geschäftsführer von DS Automation. Klassisch aufgebauten Montagelinien mit fixen Fördereinrichtungen fehle die nötige Flexibilität, um dynamisch auf die veränderlichen Erfordernisse in der Batteriemontage reagieren zu können.

So können die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer mit Dynamik und Flexibilität ihren Weg in die elektromobile Zukunft machen.


Batterien heiß begehrt

Der Gesamtbedarf an Batteriekapazitäten im Jahr 2020 wird in Europa bei 60 Gigwattstunden liegen, auf globaler Ebene bei 200 Gigawattstunden. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens des VDMA, das vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) durchgeführt wurde. Für das Jahr 2025 gehen die Experten von einem Gesamtbedarf an Batteriekapazitäten von 155 Gigawattstunden (Europa) beziehungsweise 500 Gigawattstunden (global) aus. Im Jahr 2033 sollen es eine Terawattstunde (Europa) beziehungsweise 3,3 Terawattstunden (global) sein.

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