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„Wir stecken in einemVeränderungsprozess“

Interview: Markus Werro, CEO der Afag Holding
„Wir stecken in einemVeränderungsprozess“

Wie spannend, aber auch herausfordernd es ist, den Handhabungs- und Zuführtechnikspezialisten Afag neu zu positionieren, verrät CEO Markus Werro im Interview mit der Automationspraxis.

Sie treten mit dem Slogan „Faszination Bewegung“ an. Aber was genau zeichnet Afag aus? Was können Sie besser als andere?

Werro: Hier muss man unterscheiden: Im Bereich Zuführtechnik sind unsere Marktbegleiter vor allem kleinere Unternehmen. Was uns differenziert: Wir sind engineeringmäßig und analytisch unterwegs. Wir können zum Beispiel Schwingungen messen und darstellen, so dass Zuführtechnik reproduzierbar wird. Damit spielen wir in einer anderen Liga als die meisten unserer Wettbewerber.
Und in der Handhabungstechnik?
Werro: Hier haben wir mit Festo, SMC und Schunk richtig große Konkurrenten. Diesen globalen Playern können wir in Sachen Marktvolumen natürlich nicht Paroli bieten, aber wir sind flexibler – quasi ein kleines Schnellboot gegen einen riesigen Tanker. Daher können wir in Nischen flinker agieren. Zudem können wir Synergien zwischen unseren drei Kompetenzen Handhaben, Transportieren und Zuführen heben, welche direkten Kundennutzen generieren.
War für Afag der Wechsel 2011 von Feintool zur Schaeff-Gruppe ein Glücksfall für Sie? Sie erreichen so ja größere Kundenkreise…
Werro: In jedem Fall. Wir stecken in einem Veränderungsprozess von einer Innen- zu einer Außensicht. Die Afag war in der Vergangenheit stark nach innen orientiert – als interner Lieferant wurde ein wesentlicher Teil des Umsatzes mit dem Feintool-Konzern selber gemacht. Als Herr Schaeff Afag 2011 übernommen hat, holte er daher mich als CEO von außen an Bord und wir haben das Management Team, bis auf unseren Zuführtechnikspezialisten Klaus Bott, komplett ausgetauscht – das hätte ich mich früher nie getraut.
Warum haben Sie dennoch einen so klaren Strich gezogen?
Werro: Wenn das Management zu sehr vergangenheitsorientiert und zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, muss man radikale Maßnahmen einleiten. Mit neuen Leuten haben wir auch einen neuen Esprit ins Haus geholt, zum Beispiel mehr Kundenorientierung. Und dieser Veränderungsprozess beginnt zu greifen. Faszination Bewegung heißt für uns schließlich auch, dass wir die Firma bewegen. Denn wenn Sie sich nicht bewegen, sind Sie tot.
Muss sich Afag vor allem in Sachen Vertriebsdenken und Kundennähe bewegen oder auch in Sachen Technologie?
Werro: Beides. Und sogar noch mehr. Denn die Herausforderungen sind ja mannigfaltig. Man muss junge Leute als Fachkräfte gewinnen. Man muss sich auf die Globalisierung einstellen. Man muss sich auf die Industrie 4.0 vorbereiten und so weiter. Und man muss an vielen dieser Stellschrauben gleichzeitig drehen. Das ist gefährlich, da das System dabei völlig instabil werden kann. Deshalb ist für mich unsere Wertekultur als Ankerpunkt auch so wichtig. Die Mitarbeiter müssen den Sinn unseres Tuns erkennen und für sich eine Zukunftsperspektive ableiten können.
Für Sie persönlich ist das aber eine große Herausforderung, oder?
Werro: Natürlich, aber deshalb habe ich den Job ja auch gewählt. Das ist extrem spannend. Ich bin vom Typ her eher integrativ. Leute so zu motivieren, dass sie gemeinsam an einem neuen Ziel arbeiten, ist eine meiner Stärken. Dennoch ist natürlich bei uns nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen: Wenn wir im selben Boot sitzen und in unterschiedliche Richtungen rudern, müssen wir eine Lösung finden. Dann kann ich auch kratzbürstig und widerspenstig sein. Die größte Ehre hat mir hier Herr Schaeff erwiesen, der mich mal als „struppigen Schweizer“ bezeichnet hat. Genau das will ich sein. Ich will nicht nur ja sagen, sondern verstehen, weiterdenken, entscheiden und dann handeln – das nennen wir bei Afag, Verantwortung übernehmen.
Wie eng arbeiten Sie mit Herrn Schaeff als Gesellschafter zusammen?
Werro: Ich hatte ihn am Anfang gebeten, mich in meiner neuen Rolle als CEO zu coachen. Und wir telefonieren immer noch wöchentlich. Er will einfach am Puls des Geschehens sein. Manchmal will er mir dabei operativ reinreden, dann muss ich ihn eben in seine Schranken weisen. Andererseits ist es für mich eine wunderbare Erfahrung, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der langfristig denkt, aber dann auch schnell entscheidet. Die Schaeffs sind echte Unternehmer.
Ihr letzter Zukauf war ja 2013: Haben Sie eps wegen des Zugangs zum deutschen Markt gekauft oder wegen der Technologie?
Werro: Das zweite. Den eps Geschäftsführer Bernhard Moosmann kenne ich seit 1992. Als ich den Job bei Afag anfing, habe ich ihn gleich angerufen. Und er war froh über das Übernahmeangebot, denn er hatte ein Nachfolge-Problem, da seine Kinder die Firma nicht übernehmen wollten. Das war also eine Win-Win-Situation: Er hatte keinen Nachfolger und auch keine ausgefeilte Vertriebsorganisation – und wir haben uns mit eps moderne mechatronische Technologie an Bord geholt. Und es ist eine Erfolgsstory geworden, das darf man sagen: eps hat seinen Umsatz in drei Jahren verdoppelt. Das ist fantastisch.
Haben Sie weitere Bereiche, wo sie sich über Zukäufe strategisch verstärken wollen?
Werro: Einige, allerdings verrate ich die natürlich nicht en détail. Aber nehmen wir mal als Beispiel das Thema Transportieren. Hier benötigt man zukünftig konfigurierbare Lösungen, wie sie Beckhoff mit seinem XPS bereits in ersten Ansätzen realisiert hat. Zukünftig braucht man diese Dinge vielleicht nicht auf einer Schiene, sondern anders, flexibler. Solche Grundlagen-Technologien können wir nicht selber entwickeln, da muss man Partnerschaften suchen.
Welche Rolle spielt das Thema Industrie 4.0 für Sie?
Werro: Eine große Rolle. Den Trend zu Software und Digitalisierung gibt es schon seit 20 Jahren, das ist insofern nichts Neues. Aber das Ganze hat dramatisch an Momentum gewonnen. Wir haben heute technische Möglichkeiten, die wir vor 20 Jahren nicht hatten. So kann man zum Besipiel auf der Größe einer Visitenkarte eine SPS abbilden. Und wenn in Zukunft in jedem Zylinder eine kleine SPS steckt, kann man sich die zentrale Steuerung und die vielen Kabel sparen. Damit sinken Komplexität und Fehlerhäufigkeit. Allerdings braucht man dann immer noch eine Software, die das Ganze managt. Aber das ist der einfachere Teil der Industrie 4.0.
Und der schwierigere?
Werro: In der Vision von Industrie 4.0. hat jedes intelligente Maschinenelement zukünftig ein eigenes virtuelles Abbild im Web, und wir europäischen Maschinenbauer sind völlig unbedarft, wie man mit diesen Daten umzugehen hat und wie man daraus attraktive Geschäftsmodelle ableiten kann. Hier sehe ich die größte Schwierigkeit. Als Maschinen- und Komponentenbauer müssen wir uns gut überlegen, ob wir dieses Thema einfach den Internetkonzernen wie Google überlassen wollen oder nicht. Das wird spannend für die ganze Industrie. Eigentlich schade, dass ich in zehn Jahren schon in Rente bin. ↓
Afag Holding AG
„Man muss an vielen Stellschrauben gleichzeitig drehen. Das ist gefährlich, da das System dabei völlig instabil werden kann.“ Markus Werro, Afag

Gestärkt aus der Krise
Am 15. Januar 2015 hob die Schweizerische Nationalbank den Euro-Mindestkurs auf. Der Franken verteuerte sich auf einen Schlag um fast 20 Prozent. „Das war schlimm. Von einem Tag auf den anderen ist der Schweizer Umsatz von 22 Millionen auf 18 Millionen runter“, erinnert sich Afag CEO Markus Werro. „Unter dem Strich haben plötzlich Millionenbeträge gefehlt.“
Mit seinem Management hat er daher in Windeseile einen Aktionsplan mit 16 Projekten erstellt. Ein Investitionsstopp stand dabei ebenso auf der Liste, wie ein Neuaufsetzen der Einkaufsprozesse. „Wir waren ohnehin dabei, den Einkaufsprozess vom lokalen Einkauf in eine internationale Beschaffung umzustellen – das haben wir dann eben viel schneller und konsequenter durchgezogen als geplant“, so Werro.
Zudem habe man das Gespräch mit den Mitarbeitern in der Schweiz gesucht. „In einem Gespräch auf Augenhöhe haben wir uns innerhalb kürzester Zeit darauf geeinigt, die Arbeitszeit von 40 auf 43 Stunden bei gleichem Lohn heraufzusetzen. Das haben wir dann 15 Monate lang durchgezogen.“ Wichtig sei dabei gewesen, die Erfolge des Aktionsplans klar zu kommunizieren: „So haben die Mitarbeiter gesehen, dass unsere Maßnahmen greifen.“
Aber auch die deutschen Standorte Amberg und Hardt haben mitgeholfen. „Die boomende deutsche Industrie hat letztendlich dafür gesorgt, dass wir genügend Arbeit und Projekte hatten“, so Werro. Statt Kurzarbeit auszurufen, habe man Arbeit in die Schweiz verlagert, damit man dort die 43 Stunden auch arbeiten kann. „Anstatt in die negative Spirale zu gehen, haben wir hoch gepokert“, so Werro. „Darauf bin ich heute noch stolz, dass wir nach vorne gedacht haben. So sind wir sogar gestärkt aus der Krise heraus gekommen. Am Schluss haben wir unseren Schweizer Mitarbeitern einen Teil der gratis geleisteten Stunden auch wieder zurückbezahlt.“ ↓
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