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Igus-Chef Frank Blase im Porträt: Leidenschaftlicher Kunststoff-Fan und besonderer Unternehmer

Im Porträt: Wie Igus dank Frank Blase zum Weltkonzern wurde
Igus-Chef Frank Blase: Leidenschaftlicher Kunststoff-Fan und besonderer Unternehmer

Mit starker Kundenorientierung und Innovationsgeist hat Frank Blase das väterliche Unternehmen Igus vom kleinen Spezialfertiger für komplexe Spritzgussteile zum Global Player der Motion Plastics entwickelt. Seine Begeisterung für den Werkstoff Kunststoff ist ungebrochen. Autor: Armin Barnitzke

Wenn man sich der Igus Zentrale in Köln von der Autobahn her nähert, fällt sofort die außergewöhnliche Architektur der Fabrikgebäude mit Pylonen und Seilen auf. Ein klassisches Headquarter für die Geschäftsführung sucht man auf dem Werksgelände allerdings vergebens: Denn der Chef-Schreibtisch ist – ebenso wie der Besucher-Empfang oder die Produktion – in demselben offen gestalteten Hallenkomplex untergebracht.

„Damit setzen wir ein klares Signal: Wir arbeiten hier alle zusammen an einem Produkt. Und wir arbeiten hier alle zusammen für den Kunden“, erklärt Igus-Chef Frank Blase die grundlegende Philosophie dahinter. Ob Empfang, Verwaltung, Geschäftsführung, Entwicklung, Testlabor, Versand – in dem Gebäude geht alles fließend ineinander über. Dafür sorgt eben nicht zuletzt die offene Architektur – denn durch die Konstruktion mit Pylonen gibt es im Inneren der Fabrik keine tragenden Wände, die trennen und begrenzen.
Auf den Punkt bringt Frank Blases Wir-schaffen-das-zusammen-für-den-Kunden-Philosophie auch ein Schild direkt am Eingang der Halle: „Weg mit den Chefs. Her mit den Kunden. Jeder ist Manager.“ Wie bitte? Der Chef fordert: Weg mit dem Chef… Das ist ungewöhnlich. Man spürt gleich: Dieses Unternehmen und dieser Unternehmer ticken ganz besonders.
Aus Köln-Mühlheim in die Welt
Angefangen hat das Ganze ganz klassisch, nämlich in einer Garage. Genauer gesagt: Eine Hinterhof-Garage in Köln-Mühlheim: „Mein Vater war Produktionsleiter bei den auf Polyurethan-Elastomere spezialisierten Acla-Werken in Köln. Weil er dort zu wenig Verantwortung übernehmen konnte und er zunehmend einen Drang zur Selbstbestimmtheit spürte, hat er sich gedacht: Das, was ich für andere mache, mache ich doch lieber für sich selbst“, erinnert sich Frank Blase.
Günter Blases Frau Margret, die als erste weibliche Steuerberaterin in Köln ohnehin bereits selbstständig war, hat ihn dabei bestärkt: „Dann mach mal.“ Also machte Günter Blase mal und begann als Auftragsfertiger komplizierte Präzisionsbauteile aus Kunststoff herzustellen. „Die ersten Aufträge kamen von einem Textilmaschinen-Hersteller und einem Vergaserhersteller“, erinnert sich Frank Blase. „Die beiden Kunden sind die ersten 20 Jahre die Hauptabnehmer für uns geblieben.“
Den 1959 geborenen Frank Blase hat die Kunststoff-Firma des Vaters also von klein auf begleitet. „Schließlich war die Firma immer Thema am Esstisch, wenn unsere Familie dreimal am Tag gemeinsame Mahlzeiten eingenommen hat.“
Blase wollte nie nur Junior sein
Der Legende nach soll der kleine Frank in Vaters Garage sogar das Zählen gelernt haben, als er fertige Wärmeschutz-Töpfe in 10er Packs in Kartons verpackte. Besonders angeturnt, später mal Vaters Firma zu übernehmen, hat ihn das aber nicht: „In der Garage war es laut und ungemütlich.“
Zudem wollte Frank Blase nie nur der Junior sein. Also hat er begonnen, seinen eigenen Weg zu gehen. Für die Eltern war das durchaus okay: „Beide haben mich und meinen Bruder nie gedrängt, in die Firma einzusteigen. Sie haben uns stets signalisiert: Wir machen die Firma für uns, nicht für euch und können das Ganze später einfach verkaufen“, schwärmt Frank Blase
Er ging daher in die USA, wo er an der Texas Christian University in nur 3 Jahren seinen MBA in Betriebswirtschaft gemacht hat. Nach dem Studium kehrte er nach Deutschland zurück und startete bei Unilever in Hamburg ein Führungskräfte-Nachwuchsprogramm. „Dort habe ich zwar positive Rückmeldungen zu meiner Arbeit erhalten“, erinnert sich Frank Blase. „Allerdings habe ich in der Zeit auch gemerkt, dass ein Großkonzern doch nichts für mich ist und dass mich eher das Abenteuer einer kleinen Firma reizt.“
Vater musste locken
Inspiriert hat ihn auch die Mentalität der Amerikaner, wo die Zeitungen voll sind mit erfolgreichen Gründergeschichten. Und Frank Blase hat sein Ziel, eine kleine Firma groß zu machen, erreicht: Kam Igus bei seinem Einstieg 1983 auf einen Umsatz von immerhin 1,4 Mio. Euro und 25 Beschäftigte, so sind die Kölner heute bei knapp 3000 Mitarbeitern und über einer halben Milliarde Euro Umsatz angelangt. Mit diesem Erfolg hat Frank Blase sogar die kühnsten Erwartungen seines Vaters übertroffen: „Der hat mir kürzlich gestanden, dass für ihn schon 10 Millionen Euro Umsatz eine richtig große Firma gewesen wäre“, schmunzelt Frank Blase.
Allerdings: Von sich aus hat er damals aber doch nicht beim Vater angeklopft. Da mussten die Eltern schon zu ihm nach Hamburg reisen, um ihm den Einstieg ins elterliche Unternehmen schmackhaft zu machen. „Ohne diese Avancen des Vaters hätte ich den Einstieg bei Igus vielleicht gar nicht gefunden“, blickt Frank Blase zurück, der sich noch genau erinnern kann, wo dieses so entscheidende Gespräch stattgefunden hat – „in der Lobby des Hotels Atlantic in Hamburg.“
Dort hat ihm der Vater signalisiert, dass er seine Unterstützung im Vertrieb gut gebrauchen könnte. „Du verkaufst, ich produziere“, so die klare Ansage. Die Grundidee war, sich mit eigenen Produkten unabhängiger von den beiden Großkunden zu machen. Die Grundlagen dafür waren bereits gelegt, denn Günter Blase hatte im Zuge der Kundenprojekte schon früh begonnen, eigene Gleitlager und Kunststoff-Energieketten zu bauen.
Der Anfang war hart, sehr hart
„Der Anfang war allerdings äußerst zäh. Denn keiner wollte Energieketten und schon gar nicht Gleitlager aus Kunststoff haben. Die Vorbehalte gegen den Werkstoff waren damals noch sehr groß“, berichtet Frank Blase. Das war auch in den USA nicht anders, wo er aufgrund der Flaute im Heimatmarkt sein Glück versuchte. „Da bin ich dann vom Nichts verkaufen zum Garnichts verkaufen gewechselt.“ Das sei sehr bitter gewesen. „Aber wenn man das überlebt, lebt diese Erfahrung in einem weiter. Ich freue mich heute noch über jeden kleinen Auftrag.“
Zudem ist in dieser Zeit Frank Blases Idee für das Igus-Sonnensystem mit dem Kunden in der Mitte entstanden: „Der Kunde steht im Zentrum aller unserer Aktivitäten. Und so wie die Sonne Licht und Energie spendet, bringt uns der Kunde Ideen und Geld.“ Durch diese konsequente Kundenorientierung kam das Geschäft mit den Maschinenelementen aus Kunststoff allmählich doch ins Rollen. „Zumal wir immer ja gesagt und jeden Kundenwunsch erfüllt haben.“
Kunststoffe, die sich bewegen
Vor allem der Umsatz mit Energieketten begann zu klettern, wobei die Kölner auch vom allgemeinen Automatisierungsboom profitiert haben. Die Kunststoffgleitlager dagegen hatten anfangs noch mit Vorbehalten zu kämpfen. Um das Gleitlager-Geschäft richtig anzukurbeln, ist Frank Blase Mitte der 90er Jahre richtig in Vorleistung gegangen und hat extra Verkäufer eingestellt – „auch wenn der Vater zunächst nicht so recht überzeugt war.“
Aber aufgeben wollte Frank Blase das Thema Gleitlager trotz des zähen Verkaufs nicht: „Wir hatten hier schon viel Forschungsleistung reingesteckt und wussten, wieviel Potenzial in dem Thema steckt.“ Und er hat Recht behalten: „Auch wenn unser Umsatz mit Gleitlager heute in der Regel immer noch kleiner ist als das Geschäft mit den Energieketten, haben wir doch in manchen Ländern schon eine Gleichverteilung erreicht.“
In der Zwischenzeit besteht das Igus-Portfolio ohnehin nicht mehr nur aus Energieketten und Gleitlagern. Es umfasst unter anderem Leitungen, konfektionierte Energieführungssysteme, Halbzeuge, 3D-Druck, Mehrachsgelenke für Roboter sowie Gelenk-, Linear- und Kugellager. Bei all dieser Produktvielfalt legt Frank Blase aber großen Wert darauf, den Fokus nicht zu verlieren: „Bei uns geht es ausschließlich um Kunststoffe, die sich bewegen – eben Motion Plastics.“
Die Idee: Mit Hilfe von Kunststoff die Reibungsthematik ohne Schmierung zu lösen. Angelehnt an den Fachausdruck Tribologie (Reibungslehre) spricht Igus daher gerne auch von Tribo-Kunststoffen. Gleichzeitig müssen die Igus-Produkte die Technik des Kunden verbessern und/oder die Kosten senken sowie online konfigurier- und bestellbar sein und werden ab 24 Stunden geliefert.
Begeisterung und Neugier
Obwohl Betriebswirt und kein Kunststoff-Wissenschaftler ist Frank Blase in die Entwicklungsarbeit im Hause Igus sehr eng eingebunden. „Ich bin eben im wahrsten Sinne des Wortes sehr ‚neu-gierig‘ und verbringe daher viel Zeit mit den Entwicklern.“ Sein Büro hat der leidenschaftliche Kunststoff-Fan mitten in der Entwicklungsabteilung: „Die wöchentlichen Meetings mit den Entwicklern sind für mich der schönste Termin der Woche“, sagt er mit leuchtenden Augen: „Da ist so vieles noch nicht erforscht und es gibt noch so viel Neuland zu entdecken.“
Besonders begeistert ihn derzeit der 3D-Druck. „Hier passiert jede Woche etwas Neues.“ Inzwischen sind die Kölner nicht nur soweit, dass sie die Spritzguss-Formen für kleinere Serien im 3D-Druck herstellen können, sondern sie können im Laser-Sinterverfahren sogar 3D-Druck-Teile herstellen, die genauso verschleißfest sind wie Spritzgussteile.
„Wer hätte das noch vor kurzem gedacht“, ruft Frank Blase begeistert und springt auf, um Beispiele zu holen: „Schauen Sie, diese Festigkeit traut man den Teilen auf den ersten Blick gar nicht zu.“ Für diesen Erfolg habe man natürlich eine Menge tüfteln müssen – mit den Ausgangsmaterialien ebenso wie der Art und Weise, wie man das Filament herstellt. Aber so etwas begeistert Frank Blase: „Das sind die Dinge, die mich motivieren.“
Feuerwehrmann im Betrieb
Ein weiteres, noch relativ kleines Pflänzchen im Hause Igus ist das Geschäft mit der Lowcost Automation – z. B. die Leichtbauroboter aus dem Robolink Baukasten. „Ich bin überzeugt, dass neben der Digitalisierung insbesondere in der günstigen, leisen und eben schmierfreien Automatisierung noch viel Potenzial schlummert.“
Ob 3D-Druck oder Low-Cost-Automation: Frank Blases Idee ist es, solche kleinen Einheiten im eigenen Hause zu hegen und zu pflegen und so zu größeren Umsatzbringern heranzuziehen. Zukäufe und Akquisitionen sind nicht so sehr sein Fall. „Das haben wir zwar hier und da mal überlegt. Wir sind aber immer zu dem Schluss gekommen, dass wir es lieber selber machen wollen.“
Diese Idee, des Lieber-selber-Machen-Wollens findet sich auch in Frank Blases Firmenführung. „Da bin ich ganz Renaissance-Mensch. Ich will selbst beeinflussen.“ Entsprechend ist er im eigenen Unternehmen als Tausendsassa unterwegs und bringt sich mit seinen Kreativideen in die Öffentlichkeitsarbeit und in den Messebau genauso ein, wie er sich in die Tausendstel des Werkzeugbaus vertiefen kann. „Ich sehe mich da als eine Art innerbetriebliche Feuerwehr: Wenn es irgendwo brennt, kann ich sehr nahe heran rücken. Aber wenn es gut läuft, kann ich auch prima loslassen.“
Man merkt: Frank Blase ist ein Mensch, der das eigene Unternehmertum mit großer Ernsthaftigkeit angeht – auch wenn er als Rheinländer durchaus eine lockere Seite hat. 2002 hat er es sogar bis zum Bergisch Gladbacher Karnevals Prinzen geschafft. Heute jedoch macht er sich sehr ernsthafte Gedanken darüber, wie die steigende Komplexität der Welt die Menschen empfänglich macht für einfache Antworten und Parolen – siehe Donald Trumpfs Wahl zum US-Präsidenten, die den USA-Fan Frank Blase stark erschüttert hat.
In diesem Zusammenhang macht er sich auch viele Gedanken darüber, ob das von ihm selbst ausgerufene Credo „Weg mit den Chefs, jeder ist Manager“ in Zeiten zunehmender Komplexität nicht mehr ganz zeitgemäß ist. „Früher konnte man Vieles mit persönlichem Einsatz klären. Aber heute ist die Berufswelt so komplex und schnelllebig geworden, dass es der sehr viel bessere, perfektere Weg ist, den Mitarbeitern gerade im Zuge der Digitalisierung die nötigen Werkzeuge an die Hand zu geben, damit sie sich entfalten können.“
So müsse man als Chef zum Beispiel dafür sorgen, dass die Mitarbeiter nicht in der Mail-Flut untergehen. Denn schließlich will Frank Blase mit Igus weiter wachsen: Das ausgerufene Ziel der Umsatzmilliarde in 2020 hat er weiter fest im Blick: „Wir sind noch auf Kurs, wenn auch knapp.“ ↓
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„Ich bin eben im wahrsten Sinne des Wortes sehr ‚neu-gierig‘ und verbringe daher viel Zeit mit den Entwicklern.“ Frank Blase
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